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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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der liebe Gott auch ihr Vater, genauso wie unserer? Ist nicht Jesus auch ihr Heiland?«
    »Nun, das mag sein. Gott hat wahrscheinlich alle geschaffen«, sagte Marie, »wo ist denn mein Riechfläschchen?«
    »Es ist ein Jammer – oh, so ein Jammer!« sagte Eva, über den fernen See hinausblickend und halb zu sich selbst sprechend.
    »Was ist ein Jammer?« fragte Marie.
    »Ach, daß einer, der ein heller Engel werden und mit andern Engeln leben könnte, so tief, tief sinken muß und daß keiner ihm hilft!«
    »Nun, das kann man nicht ändern; da mußt du dich nicht grämen, Eva. Ich wüßte nicht, was man da tun sollte; wir müssen dankbar sein, daß wir es besser haben.«
    »Das kann ich beinah nicht«, sagte Eva, »wenn ich an die armen Leute denke, denen es so schlecht geht.«
    »Wie merkwürdig«, sagte Marie. »Meine Religion heißt mich dankbar sein für alle Vorteile.«
    »Mama«, sagte Eva, »ich möchte mir einen Teil meines Haares abschneiden lassen.«
    »Wozu?« fragte Marie.
    »Ach, ich möchte meinen Freunden eine Locke schenken – solange ich das noch selber kann. Willst du nicht Tantchen bitten, es mir abzuschneiden?«
    Marie rief mit erhobener Stimme nach Miß Ophelia im Nebenzimmer. Als sie hereinkam, richtete das Kind sich ein wenig in seinen Kissen auf, schüttelte seine goldbraunen Locken und sagte scherzend: »Komm, Tantchen, schere das Lamm.«
    »Was soll das?« fragte St. Clare, der gerade mit etwas Obst dazukam, das er für seine Tochter geholt hatte.
    »Papa, ich möchte nur, daß Tantchen mir ein paar Locken abschneidet; sie sind so schwer und heiß. Außerdem möchte ich ein paar verschenken.«
    Miß Ophelia kam mit der Schere.
    »Aber vorsichtig, man darf es nicht sehen!« sagte der Vater; »schneide von unten, wo man es nicht merkt. Evas Locken sind mein ganzer Stolz.«
    »Oh, Papa!« sagte Eva traurig.
    »Ja, und ich möchte, daß sie schön gepflegt werden bis zu der Zeit, wenn ich dich mitnehme auf des Onkels Plantage zu Vetter Henrique«, sagte St. Clare heiteren Tones.
    »Da werde ich nie hinkommen, Papa; ich gehe in ein besseres Land. Oh, glaube mir doch! Siehst du denn nicht, daß ich jeden Tag schwächer werde?«
    »Warum willst du durchaus, daß ich so etwas Furchtbares glaube?«
    »Nur, weil es wahr ist, Papa; wenn du es jetzt glaubst, siehst du es vielleicht so an wie ich.«
    St. Clare preßte seine Lippen zusammen und starrte düster auf die langen, schönen Locken, die ihr abgeschnitten einzeln in den Schoß gelegt wurden. Sie hob sie hoch, betrachtete sie ernsthaft, schlängelte sie sich um ihre dünnen Finger und sah von Zeit zu Zeit ängstlich auf den Vater.
    »Ich habe es ja vorausgeahnt«, sagte Marie; »das nagt ja Tag für Tag an meiner Gesundheit, obgleich niemand es beachtet. Ich habe es lange kommen sehen. St. Clare, du wirst es nach einer Weile auch einsehen.«
    »Das scheint dir großen Trost zu bringen«, sagte St. Clare in trockenem, bitterem Ton. Marie lehnte sich auf ihr Sofa zurück und bedeckte ihr Gesicht mit ihrem feinen Taschentuch.
    Eva blickte mit klaren, blauen Augen ernsthaft von einem zum andern. Es war offensichtlich, daß sie den Unterschied zwischen beiden Eltern wohl verstand. Sie winkte ihrem Vater mit der Hand. Er kam und setzte sich zu ihr.
    »Papa, meine Kräfte werden weniger, ich weiß, ich muß sterben. Ich möchte noch manches sagen und tun, was ich tun muß, aber du wirst immer ungehalten, wenn ich davon rede. Jetzt muß es sein; es läßt sich nicht länger aufschieben. Laß es mich doch jetzt tun.«
    »Mein Kind, ich lasse dich ja«, erwiderte St. Clare, bedeckte seine Augen mit der Hand und hielt Evas Hand mit der anderen.
    »Dann möchte ich, daß alle unsere Leute hierherkommen. Ich muß ihnen einiges sagen.«
    »Also gut«, sagte St. Clare tief bewegt.
    Miß Ophelia schickte einen Boten, und bald war das ganze Personal im Zimmer versammelt.
    Eva legte sich in ihre Kissen zurück, ihr Haar hing aufgelöst um ihr Gesicht, ihre geröteten Wangen hoben sich in traurigem Gegensatz von der weißen Blässe ihrer Haut und den zarten Umrissen ihrer Glieder ab; mit großen seelenvollen Augen blickte sie jeden einzelnen an.
    Die Leute wurden von einer plötzlichen Bewegung ergriffen. Das vergeistigte Gesichtchen, die langen, abgeschnittenen Locken, die neben ihr lagen, das abgekehrte Gesicht des Vaters, das Schluchzen der Mutter rührte sofort die Herzen dieser gefühlvollen und empfänglichen Rasse.
    Eva richtete sich auf und sah, daß alle

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