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Onkel Toms Hütte

Titel: Onkel Toms Hütte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beecher-Stowe Harriet
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dahinschritt, glitten Bäume und Sträucher, die Hütten seiner Knechtschaft, der ganze Schauplatz seiner Schmach an ihm vorüber. Seine Seele lebte – seine Heimat kam in Sicht – die Stunde der Erlösung schien geschlagen zu haben.
    »Na, Tom«, begann Legree herausfordernd und packte ihn grimmig am Rockkragen; er sprach durch die Zähne wie im Krampf besessener Wut, »weißt du, daß ich beschlossen habe, dich umbringen zu lassen?«
    »Das mag schon sein, Herr«, antwortete Tom ruhig.
    »Jawohl«, sagte Legree mit grimmiger, schrecklicher Ruhe, »genau das hab' ich vor, wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, was du von diesen Weibern weißt!«
    Tom stand und schwieg.
    »Hörst du nicht?« schrie Legree, aufstampfend wie ein angeschossener Löwe. »Sprich!«
    »Ich habe nichts zu sagen, Herr!« sagte Tom; er sprach langsam, fest und bedächtig.
    »Willst du es wagen, du alter, schwarzer Christ, zu behaupten, du weißt nichts?« fragte Legree.
    Tom schwieg.
    »Sprich!« donnerte Legree und schlug wie rasend auf ihn ein. »Weißt du nichts davon?«
    »Doch, Herr, ich weiß es, aber ich kann es nicht sagen. Ich kann nur sterben!«
    Legree schöpfte tief Atem, seine Wut bezwingend, ergriff er Tom beim Arm, näherte sein Gesicht dem andern und sprach mit schrecklicher Stimme: »Hör zu, Tom – du denkst, weil ich dich sonst immer laufen ließ, ich meinte nicht, was ich sagte; aber diesmal hab' ich alles überlegt und die Kosten überschlagen. Du hast mir immer die Stirn geboten – aber jetzt unterwerfe ich dich oder bringe dich um – eines von beiden.«
    Tom blickte seinen Herrn an und antwortete: »Herr, wenn Ihr krank wäret oder in Verlegenheit oder sterben müßtet und ich Euch retten könnte, würde ich Euch mein Herzblut geben. Aber diese Sünde, Herr, solltet Ihr nicht auf Euch nehmen. Das bringt Euch mehr Schaden als mir. Und wenn Ihr mir das Schlimmste antut, meine Qual hat bald ein Ende; aber wenn Ihr nicht bereut, endigt die Eure nie!«
    Wie ein seltsamer Geigenton einer himmlischen Musik, den man plötzlich im Sturmwetter auffängt, so erklang in diesem Raum der plötzliche Ausbruch eines echten Gefühls. Erschrocken trat Legree zurück und sah Tom an; die Stille war so tief, daß man das Ticken der alten Uhr hören konnte, die leise die letzten Augenblicke der Gnade und Prüfung bemaß, die dem verhärteten Herzen vergönnt waren.
    Es war nur ein Augenblick. Noch eine zögernde Pause, noch eine unentschlossene nachgebende Bewegung, und mit siebenfacher Gewalt kehrte der Geist des Bösen zurück; schäumend vor Wut streckte Legree sein Opfer zu Boden.
    Tom öffnete die Augen und sah seinen Herrn an. »Du armer, elender Mensch!« sagte er, »mehr kannst du jetzt nicht tun! Ich vergebe dir von ganzer Seele!« Dann schwanden ihm die Sinne.
    »Ich glaube beinahe, er ist erledigt, endlich«, sprach Legree und trat näher, um ihn zu betrachten.
    »Ja, tatsächlich. Na, das Maul hätten wir wenigstens zum Schweigen gebracht, das ist ein Trost!«
    Ganz hinüber war Tom indessen noch nicht. Seine wunderbaren Worte und frommen Gebete waren den vertierten Schwarzen zu Herzen gegangen, die ihm als Werkzeug der Grausamkeit hatten dienen müssen; kaum war Legree gegangen, legten sie ihn hin und versuchten in ihrer Unwissenheit, ihn ins Leben zurückzurufen – als ob sie ihm damit einen Gefallen täten!
    »Wir haben bestimmt etwas Schreckliches gemacht«, sagte Sambo; »hoffentlich muß der Herr dafür büßen und nicht wir.«
    Sie wuschen seine Wunden – sie richteten ihm ein armseliges Lager aus Baumwollabfällen her, damit er sich ausstrecken konnte; und einer von ihnen endlich schlich sich ins Haus und bat Legree um einen Schnaps, indem er vorgab, er sei müde und brauche ihn. Er brachte ihn zurück und flößte ihn Tom ein.
    »O Tom!« sagte Quimbo, »wir haben dir großes Unrecht getan!«
    »Ich vergebe euch von ganzem Herzen«, erwiderte Tom mit versagender Stimme.
    Da weinten die beiden wilden Männer.
    »Warum habe ich nicht früher von Jesus gehört?« sagte Sambo; »aber jetzt glaube ich! – Ich kann nicht anders! Herr Jesus, erbarme dich unser!«
    »Arme Kerle!« flüsterte Tom, »ich will gern alles tragen, wenn es euch zu Christus führt! Lieber Gott, gib mir diese beiden Seelen, ich bitte dich!«
    Und dieses Gebet wurde erhört.

40. Kapitel
    Der junge Herr
    Zwei Tage später fuhr ein junger Mann in einem leichten Wagen durch die Allee von Chinabäumen; den Pferden hastig die Zügel überwerfend,

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