Onkel Toms Hütte
Wand stellen und erschießen lassen, als daß er sich hier herauf wagt.«
Etwas beruhigter lehnte sich Emmeline in die Kissen zurück.
»Was meintet Ihr damit, Cassy, als Ihr sagtet, Ihr wolltet mich töten?« fragte sie.
»Ich wollte dich am Ohnmächtigwerden hindern, und das ist mir gelungen. Laß dir das gesagt sein, Emmeline, du mußt dir fest vornehmen, nicht in Ohnmacht zu fallen, was auch immer kommen mag; dafür haben wir jetzt keine Verwendung. Hätte ich dich nicht gehindert, wärest du dem Bösewicht jetzt in die Hände gefallen.«
Emmeline fuhr schaudernd zusammen.
Beide verstummten für eine Weile. Laute Rufe, Pferdegetrappel und Hundegebell weckten sie; mit einem unterdrückten Schrei fuhr sie in die Höhe.
»Das sind nur die zurückgekehrten Jäger«, sagte Cassy beruhigend; »hab keine Angst, schau hier durch das Astloch. Siehst du sie nicht alle da unten? Simon muß es für heute abend aufgeben; sieh nur, wie schlammbedeckt sein Pferd ist von dem Umherstreifen im Sumpf; auch die Hunde sehen recht abgekämpft aus. Ach, lieber Herr, und wenn Ihr die Jagd aufs neue wagt – das Wild ist dort längst entschlüpft!«
»Oh, sprecht doch nicht!« bat Emmeline; »was geschieht, wenn Euch jemand hörte?«
»Wenn sie wirklich etwas hören, haben sie allen Grund, sich fernzuhalten«, sagte Cassy. »Da besteht keine Gefahr; wir können jeden Lärm machen, das wird unsere Wirkung nur steigern.«
Schließlich senkte sich die Stille der Mitternacht über das Haus, und Legree ging, sein Pech verwünschend, zu Bett; für den morgigen Tag schwor er bittere Rache.
39. Kapitel
Der Märtyrer
Cassys und Emmelines Flucht steigerte Legrees gallige Laune zu maßloser Wut; wie zu erwarten gewesen, entlud sich sein Zorn über Toms schutzlosem Haupt. Als er eilig seinen Leuten Nachricht gebracht hatte, war es ihm nicht entgangen, wie in Toms Augen ein Licht der Freude aufblitzte und er unwillkürlich die Hände zum Himmel hob. Er sah auch, daß er sich nicht an der Verfolgung beteiligte, und überlegte noch, ob er ihn zwingen sollte. Da er aber Toms Unbeugsamkeit schon genug erfahren hatte und genau wußte, daß Tom sich immer strikt geweigert hatte, seine Hand zu einer unmenschlichen Tat zu reichen, zog er es vor, sich in der Eile auf keinen weiteren Konflikt einzulassen.
Daher blieb Tom mit wenigen andern zurück, die von ihm das Beten gelernt, und sie vereinigten ihre Bitten für die gnädige Errettung der Flüchtlinge.
Als Legree enttäuscht und geprellt zurückkehrte, nahm der tiefe gärende Haß in seiner Seele eine tödliche und wahnwitzige Form an. Hatte ihm nicht dieser Mensch widerstanden – unaufhörlich und erfolgreich – von Anfang an, seitdem er ihn gekauft hatte? Lebte nicht in ihm, wenn auch stumm, ein mächtiger Geist, dessen Flammen wie von Höllenfeuern nach ihm züngelten?
»Ich hasse ihn!« sagte Legree in jener Nacht, als er auf seinem Bett saß; »ich hasse ihn! Gehört er nicht mir? Kann ich nicht mit ihm machen, was ich will? Wer sollte mich hindern?« Und Legree ballte die Fäuste und schüttelte sie, als hielten sie etwas, das sie in Stücke reißen könnten.
Aber Tom war schließlich ein treuer, wertvoller Diener, und wenn auch Legree ihn darum um so mehr haßte, legte diese Überlegung ihm doch eine gewisse Zurückhaltung auf.
Am nächsten Morgen beschloß er, vorerst noch nichts zu sagen, sondern sich von den benachbarten Plantagen genügend Leute mit Hunden und Flinten zu besorgen, das Sumpfgelände zu umstellen und die Jagd systematisch vorzunehmen.
»Also«, sagte Cassy am nächsten Morgen auf dem Speicher, als sie durch das Astloch spähte, »heute fängt die Jagd aufs neue an!«
Drei oder vier Reiter sprengten auf dem freien Platz vor dem Hause hin und her, und eine Meute fremder Hunde balgte sich mit den Negern, die sie an der Leine hielten, und schnappte knurrend nach den anderen Hunden.
Zwei der Männer waren Aufseher auf benachbarten Plantagen; die anderen gehörten zu Legrees Zechkumpanen vom Schanktisch eines Gasthauses in der nächsten Stadt, die sich aus sportlichem Interesse an der Jagd beteiligten. Eine so hartgesottene Gesellschaft gab es kaum ein zweites Mal. Legree ließ in der Runde fleißig Schnaps ausschenken, ebenso bei den Negern, die von verschiedenen Plantagen zusammengerufen worden waren; es war Ehrensache, den Schwarzen aus einem solchen Dienst soweit wie möglich ein Fest zu machen.
Cassy legte ihr Ohr an das Astloch; da der Morgenwind direkt auf
Weitere Kostenlose Bücher