Onkel Toms Hütte
hinaus.
Zur Unterhaltung war keine Gelegenheit, der Weg war uneben und die Räder ratterten. Der Wagen rumpelte dahin, durch lange Strecken dunklen Waldgebietes – über weite öde Ebenen, bergauf, bergab, Stunde um Stunde. Das Kind war gleich eingeschlafen und lehnte sich schwer gegen die Mutter. Die arme, verängstigte, alte Frau hatte allmählich ihre Furcht verloren, und selbst Eliza konnte, als die Nacht voranschritt, sich trotz aller Sorgen des Schlafes nicht erwehren. Phineas schien von allen der Munterste zu sein, er vertrieb sich die lange Fahrt, indem er sich ein leichtes Liedchen pfiff, das wenig den strengen Quäkersitten entsprach.
Aber gegen drei Uhr morgens vernahm Georgs feines Ohr in der Ferne den eiligen raschen Hufschlag eines einzelnen Pferdes, er stieß Phineas an den Ellbogen, Phineas bremste seine Pferde und horchte.
»Das muß Michael sein«, sagte er; »ich denke, ich erkenne ihn an seinem Galopp«, und er stand auf und blickte besorgt über den Weg zurück.
Man erkannte jetzt undeutlich auf dem Gipfel einer Anhöhe einen mit verhängten Zügeln dahersprengenden Reiter.
»Ich glaube, das ist er!« rief Phineas. Ohne Besinnen sprangen Georg und Jim aus dem Wagen. Schweigend standen sie da und erwarteten den Boten. Er kam immer näher. Jetzt verschwand er in einer Talsenke, aber sie vernahmen deutlich, wie der eilige Hufschlag immer näher kam, endlich tauchte er wieder auf und kam in Rufnähe.
»Ja, das ist Michael!« sagte Phineas und rief mit erhobener Stimme, »Hallo, Hallo, Michael!«
»Phineas, bist du das?«
»Ja, was ist los? Kommen sie?«
»Direkt hinter mir, acht oder zehn Mann, betrunken, fluchend und schäumend wie die Wölfe.«
Während er noch sprach, trug der Wind den schwachen Hall galoppierender Reiter herüber.
»Einsteigen, rasch, Jungens!« rief Phineas. »Wenn es zum Kampf kommt, ist es besser, ich fahre euch noch ein Stück weiter.«
Beide waren auf sein Geheiß in den Wagen gesprungen, und Phineas schlug auf die Pferde, um sie in Trab zu bringen, während der Reiter dicht neben ihnen folgte.
Der Wagen ratterte, er flog fast über den gefrorenen Erdboden dahin, aber immer deutlicher wurde der Lärm der näherkommenden Reiter. Die Frauen hörten sie auch; sie lehnten sich angstvoll hinaus und sahen weit hinten auf dem Rand eines fernen Hügels einen Trupp Reiter sich in unbestimmten Umrissen gegen den rotstreifigen Himmel des grauenden Morgens abheben. Noch eine Anhöhe, da hatten die Reiter offensichtlich den Wagen erblickt, dessen weiße Plane schon von weitem auffiel, der Wind trug ihr lautes Triumphgebrüll herüber. Eliza wurde es dunkel vor den Augen, sie preßte ihr Kind fester an die Brust, und Georg und Jim packten ihre Pistolen mit verzweifelten Fäusten. Die Verfolger holten rasch auf, da bog der Wagen scharf hinter einer steil aufragenden Felsklippe ein, die sich als einzelner Ausläufer eines felsigen Geländes aus der Ebene erhob und ringsherum glatt abfiel. Diese Felsgruppe stand schwarz und schwer gegen den heller werdenden Himmel und schien Schutz und Obdach zu verheißen. Phineas kannte sich hier von seinen Jagdzeiten her gut aus, er hatte seine Pferde nur angetrieben, um diesen Standort zu erreichen.
»Jetzt gilt's!« sagte er, hielt die Pferde an und war mit einem Satz vom Wagen. »Raus mit euch und dann mir nach, die Felsen hinauf. Michael, du bindest dein Pferd an die Deichsel und fährst weiter zu Amariah und holst ihn und seine Leute, damit sie mit den Kerlen verhandeln.«
Im Nu waren sie alle heraus aus dem Wagen.
»Los«, sagte Phineas und ergriff Harry, »ihr beide seht nach den Frauen, und jetzt lauft, was ihr nur laufen könnt!«
Es bedurfte keiner Ermahnung. Schneller, als wir es schildern können, waren alle über den Zaun geklettert und strebten den Felsen zu, während Michael sich eilig vom Pferd warf, es mit dem Zaum am Wagen befestigte und, so schnell er konnte, mit dem Wagen davonfuhr.
»Kommt weiter«, sagte Phineas, als sie die Felsen erreichten und in dem erblassenden Licht der schwachen Sterne und der aufsteigenden Morgendämmerung die Spur eines schmalen Fußpfades erkannten, der zur Höhe führte. »Das ist ein altes Jagdversteck. Hinauf!«
Phineas schritt voran, mit dem Jungen auf dem Arm sprang er wie eine Ziege über die Steine. Jim kam als zweiter und trug seine zitternde, alte Mutter über der Schulter, Georg und Eliza bildeten den Abschluß. Die Reiter langten bei dem Zaun an und stiegen unter Geschrei und
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