Onkel Toms Hütte
Kind. O Eliza! Wenn die Leute nur wüßten, was für einen Segen es für einen Mann bedeutet, Weib und Kind sein eigen zu nennen! Wie man sich da noch sorgen und grämen kann, verstehe ich nicht. Doch ich fühle mich so reich und stark, obgleich wir doch nichts haben als unsere leeren Hände. Mir ist, als dürfte ich Gott nun um nichts mehr bitten. Ja, wenn ich auch bis zu meinem fünfundzwanzigsten Jahr schwer gearbeitet habe und keinen Pfennig besitze, kein Dach über meinem Kopf, kein Fleckchen Erde mein eigen nenne, wenn sie mich nur in Frieden lassen, will ich dankbar und glücklich sein. Ich will arbeiten und das Geld für dich und das Kind zurücklegen. Was meinen Herrn angeht, so hat er fünfmal soviel an mir verdient; ihm bin ich nichts schuldig.«
»Aber noch sind wir nicht der Gefahr entronnen«, sagte Eliza, »noch sind wir nicht in Kanada.«
»Richtig«, erwiderte Georg, »aber mir ist, als atmete ich schon die Luft der Freiheit, und das beflügelt mich.«
In diesem Augenblick ließen sich im Vorderzimmer Stimmen in ernster Unterhaltung vernehmen, und sogleich wurde an die Tür geklopft. Eliza fuhr auf und öffnete.
Da stand Simeon Halliday und neben ihm ein Quäkerbruder, den er als Phineas Fletcher vorstellte. Phineas war groß und dürr und rothaarig. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Schlauheit und Durchtriebenheit. Er hatte nichts von Simeons Hallidays ruhigem, gelassenem und unweltlichem Wesen; im Gegenteil, er schien immer auf dem Sprung und bei der Sache zu sein; er wirkte wie ein Mann, der weiß, was er will, und immer seinen Kopf oben behält, was absonderlich von seinem umständlichen, förmlichen Reden abstach.
»Unser Freund Phineas hat etwas Wichtiges entdeckt, was dich und deine Gesellschaft interessieren wird, Georg«, sagte Simeon; »du hörst es dir am besten selber an.«
»Das stimmt«, sagte Phineas, »und es zeigt, daß ein Mann gut daran tut, an gewissen Orten nur mit einem Ohr zu schlafen, wie ich schon immer sagte. Vorige Nacht kehrte ich in einer kleinen einsamen Schenke abseits vom Wege ein. Du wirst dich an den Ort erinnern, Simeon, wir haben dort im vorigen Jahr die Äpfel an die dicke Frau mit den großen Ohrringen verkauft. Ich war müde vom langen Fahren und streckte mich in der Ecke auf einem Haufen Säcke aus und zog mir eine Büffelhaut übers Ohr, um zu warten, bis mein Bett fertig war, und was geschieht mir? Ich schlafe fest ein.«
»Mit einem offenen Ohr, Phineas?« fragte Simeon ruhig.
»Nein, ich schlief, ein zwei Stunden ganz fest, denn ich war hundemüde; als ich wieder ein wenig zu mir kam, merkte ich, daß Leute im Zimmer waren, die um einen Tisch saßen und tranken und redeten; da dachte ich bei mir, ehe ich aufstehe, will ich sehen, was sie im Schilde führen, besonders als ich sie die Quäker erwähnen hörte. ›Sie sind jedenfalls in der Quäkersiedlung‹, sagte der eine. Dann spitzte ich beide Ohren und merkte, daß sie ausgerechnet von euch sprachen. Also lag ich und hörte, wie sie ihre Pläne entwickelten. Du, junger Mann, sagten sie, solltest nach Kentucky zurückgeschickt werden zu deinem Herrn, der mit dir ein Exempel statuieren will, damit allen Niggern das Weglaufen vergeht; dein Weib wollten zwei von ihnen nach New Orleans bringen und dort auf eigene Faust verkaufen; sie berechneten schon, daß sie wohl sechzehn- oder achtzehnhundert Dollar bekämen, und das Kind müßte an den Händler gehen, der es gekauft hat; der junge Jim und seine Mutter sollten zurück an ihren Herrn in Kentucky. Sie behaupteten, im nächsten Ort wohnten zwei Gendarmen, die würden mitmachen und die junge Frau vor den Richter schleppen; und einer von den Kerlen, der kleine, der sehr redegewandt war, will dann schwören, sie sei sein Eigentum damit sie ihm ausgeliefert wird und er sie in den Süden mitnehmen kann. Sie wissen Bescheid über unseren Weg heute nacht und werden uns mit sechs bis acht Mann überfallen. Was machen wir da?«
Nach dieser Mitteilung befand sich die ganze Gruppe in einer Haltung, die einen Maler gereizt hätte. Rachel Halliday, die ihre Hände aus dem Biskuitteig gezogen hatte, um die Neuigkeit mitanzuhören, hielt sie mehlig und aufrecht gen Himmel gestreckt, tiefes Mitleid malte sich auf ihrem Gesicht. Simeon war in tiefes Sinnen versunken; Eliza hielt ihren Gatten umschlungen und blickte zu ihm auf. Georg aber hatte die Fäuste geballt, seine Augen loderten, und er sah aus, wie jeder aussehen mag, dessen Weib öffentlich versteigert
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