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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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Rasenwalze aus Gusseisen. Viereinhalb Zentner wiege sie, sagte mein Vater. Wir Kinder konnten sie kaum von der Stelle bewegen, aber er war ungeheuer stark und konnte sie vom Boden heben. Sie war immer etwas rostig, was mich beunruhigte, weil der Rost absplitterte und kleine Löcher und Vertiefungen hinterließ. Ich befürchtete, die Walze könnte ganz zerfressen werden und eines Tages zerfallen, sodass nur noch ein Haufen von Rostsplittern und rotem Staub übrig bliebe. Ich wollte, dass Metalle stabil waren, stabil wie Gold - fähig, alle Angriffe der Zeit abzuwehren.
    Manchmal bat ich meine Mutter, ihren Verlobungsring hervorzuholen und mir seinen Diamanten zu zeigen. Er glitzerte stärker als alles, was ich bislang gesehen hatte. Man konnte fast meinen, er sende mehr Licht aus, als er empfange. Sie zeigte mir, wie mühelos er Kratzer ins Glas schnitt, und forderte mich auf, ihn an die Lippen zu legen. Er war eigenartig und verblüffend kalt. Metall fühlte sich immer kühl an, aber der Diamant eisig. Der Grund sei, so Mutter, dass er Wärme so gut leite - besser als jedes Metall. Er entziehe den Lippen die Körperwärme, sobald er sie berühre. Dieses Gefühl habe ich nie vergessen. Ein andermal zeigte sie mir, was geschieht, wenn man mit einem Diamanten einen Eiswürfel berührt: Er leitet die Wärme aus der Hand in das Eis und durchschneidet es wie Butter. Meine Mutter erzählte mir, der Diamant sei eine besondere Form des Kohlenstoffs, aus dem gleichen Element wie die Kohle, die wir im Winter in allen Zimmern verwendeten. Das verwirrte mich - wie konnte diese schwarze, poröse, undurchsichtige Kohle das Gleiche sein wie der harte, durchsichtige Edelstein in ihrem Ring?
    Ich liebte Licht, besonders das Leuchten der Schabbes-Kerzen am Freitagabend, wenn Mutter ein Gebet murmelte, während sie sie anzündete. Wenn sie brannten, durfte ich sie nicht berühren - sie seien heilig, wurde mir gesagt, ihre Flammen seien heilig und kein Spielzeug. Ich war verzaubert von dem kleinen blauen Kegel in der Mitte der Kerzenflamme. Warum war er blau? Unsere Kamine wurden mit Kohle beheizt. Häufig starrte ich ins Herz eines Feuers und beobachtete, wie es von Dunkelrot zu Orange, zu Gelb wechselte, dann bearbeitete ich es mit dem Blasebalg, bis es fast in Weißglut war. Ich fragte mich, ob es blau erstrahlte, in Blauglut geriete, wenn es heiß genug würde.
    Brannten die Sonne und die Sterne auf die gleiche Weise? Warum gingen sie nicht aus? Woraus bestanden sie?
    Ich war beruhigt, als ich erfuhr, dass der Erdkern aus einer großen Eisenkugel besteht. Das klang solide und verlässlich. Es freute mich, dass wir selbst aus ganz den gleichen Elementen gemacht sind, die den Stoff von Sonne und Sternen bilden, und einige von meinen Atomen möglicherweise einmal zu einem fernen Stern gehört haben. Aber es erschreckte mich auch, denn es gab mir das Gefühl, meine Atome wären mir nur leihweise überlassen und könnten sich jederzeit davonmachen, davonfliegen wie das feine Talkumpuder, das bei uns im Badezimmer stand.
    Ständig bombardierte ich meine Eltern mit Fragen. Woher die Farben kämen. Wie es meiner Mutter gelinge, die Flamme des Gasbrenners zu entzünden. Was mit dem Zucker geschehe, wenn man ihn in den Tee rühre. Wo er bleibe. Warum sich Blasen bildeten, wenn Wasser koche. (Oft beobachtete ich, wie Wasser auf dem Herd kochte, und sah es vor Hitze erzittern, bevor die Blasen emporquollen.)
    Meine Mutter zeigte mir noch andere Wunder. Sie hatte ein Halsband aus polierten gelben Bernsteinstücken und führte mir vor, wie winzige Papierschnipsel aufflogen und an dem Bernstein haften blieben, wenn man ihn zuvor rieb. Oder sie hielt mir den elektrisierten Bernstein ans Ohr, sodass ich ein leises Knistern spürte und hörte, einen Funken.
    Meine beiden Brüder Marcus und David, neun und zehn Jahre älter als ich, führten mir gern ihre Magneten vor, indem sie sie unter einem Stück Papier bewegten, auf das sie Eisenfeilspäne gestreut hatten. Ich wurde nicht müde, die prächtigen Muster zu bewundern, die von den Magnetpolen ausstrahlten. «Das sind Kraftlinien», erklärte mir Marcus, was mich allerdings nicht schlauer machte.
    Dann gab es noch das Kristallradio, das mir mein Bruder Michael schenkte. Ich spielte damit im Bett, indem ich den Draht auf dem Kristall umherbewegte, bis ich einen Sender laut und klar hörte. Und nicht zu vergessen die Uhren mit Leuchtzifferblättern - das ganze Haus war voll von ihnen, weil mein Onkel

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