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Online Wartet Der Tod

Titel: Online Wartet Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alafair Burke
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nicht, nachdem er die Rechnung geordert hatte. Sie gähnte ostentativ, schob sich aus der Nische, in der sie gesessen hatte, und schlüpfte in ihren Mantel. Bevor Brad sich für ein peinliches Abschiedsküsschen erheben konnte, schüttelte sie ihm die Hand und bedankte sich für den Wein, den er noch zahlen musste.
    Und dann, nachdem sie sich die enge Treppe hinuntergedrängt und die Tür des japanischen Restaurants hinter sich geschlossen hatte, war sie weg. Frei dank einer lahmen Ausrede. Ihr wurde bewusst, dass sie sich seit drei Wochen zwei- oder dreimal pro Woche am Ende eines Abends so fühlte. Sie hatte mit sich selbst die lächerliche Abmachung getroffen, dass sie »da rauskommen«, irgendwann einen Mann finden würde, dem sie trauen, den sie vielleicht sogar lieben konnte. Aber wenn ein Abend so endete wie dieser, war sie immer heilfroh, wenn sie einfach nur wegkam. Nach einer Stunde mit Brad erschien ihr die Vorstellung, dem Schneetreiben von ihrer Feuertreppe aus zuzuschauen, schon viel verlockender.
    Sie ging durchs East Village nach Hause, rauchte eine Marlboro Light und wusste ihr Alleinsein plötzlich sehr zu schätzen. Sie war einunddreißig und lebte in Manhattan. Sie hatte einen erträglichen Job in einem Supermuseum. Tag für Tag beschäftigte sie sich mit irrer Kunst. Sie hatte einundfünfzig verschiedene Liefer-Service-Speisekarten in der Küchenschublade und wirklich schönes Haar. Sie hatte einen großen, fetten Perserkater, der Chowhound hieß. Morgen würde sie sich hier einen kleinen Bummel gönnen; nirgends sonst in dieser Stadt kriegte man für zwanzig Dollar eine Handtasche, die täuschend echt nach Designerstück aussah. Es gab Schlimmeres, als allein zu sein.
    Als sie die Alphabet-Blocks der Lower East Side erreicht hatte, blieb der Schnee bereits liegen. Ihr Vater war nach wie vor nicht froh über die Gegend, die sie sich ausgesucht hatte, aber seit der Sache damals zu Hause waren ihre Eltern grundsätzlich überbesorgt. Immer wieder erklärte sie ihm, dass es nicht mehr so war wie in jenen Tagen, als er sich sein Bild von der Stadt gemacht hatte; die Zeiten hatten sich geändert. Inzwischen war es überall in Manhattan sicher, und etwas anderes als die Lower East Side konnte sie sich nicht leisten.
    Sie hatte ihr Schlüsselbund in der Hand und war schon dabei, den Reißverschluss ihres Mantels aufzuziehen, da hörte sie das Geräusch aus dem Durchgang. Miau.
    »Chowhound?«, rief sie und spähte in die schmale Gasse zwischen den Häusern. Dann blickte sie nach oben zu ihrem Fenster im fünften Stock, das sie während der letzten Zigarette aufgemacht und nicht wieder geschlossen hatte, als sie gegangen war.
    Scheiße. Ich muss mit dem Rauchen aufhören . Bei dem anderen Fenster, dem an der Feuertreppe, achtete sie immer darauf, dass es zu war. Von dort zu ihrem Rauch-Fenster hätte es nur Jackie Chan geschafft. Aber sie vergaß, dass der große, fette Chowhound zu fünfzig Prozent aus Fell bestand und imstande war, sich noch durch die kleinste Ritze zu quetschen, wenn er dahinter die Freiheit witterte. Und Chowhound war trotz seiner Molligkeit erstaunlich aerodynamisch. Wenn es darum ging, vom Fenster auf die Feuertreppe zu springen, wäre Jackie Chan nicht gegen ihn angekommen.
    »Komm, Chowhound. Komm her, Süßer.« Amy ahnte schon, dass sie ihn von dem, was er da aus dem Container gezerrt hatte und verspeiste – was auch immer das Ekliges war –, würde wegzerren müssen. Sie schaute sich nach allen Seiten um. Weit und breit niemand zu sehen. Sie würde schnell machen.
    Als sie den Arm nach der Katze ausstreckte, packte der Mann sie von hinten. Sie fühlte Arme um ihre Taille, dann Latex-Hände am Hals. Sein Körper presste sich gegen sie, und sie wusste, dass es jetzt geschehen würde. Das passierte wirklich. Das, was sie immer gefürchtet hatte – was jede Frau bis zu einem gewissen Grad immer fürchtete –, geschah.
    Amy war stark. Sie wehrte sich. Sie würde es diesem Schwein nicht leicht machen. Sie trat und wand sich, boxte und kratzte.
    Aber was auch immer sie zu fassen bekam – Ärmel, Mantel, Kragen, Handschuhe –, schützte den Angreifer. Sie selbst war durch ihren dicken Anorak in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Der Boden wurde glitschig. Sie fand keinen Halt und konnte nicht die Hebelwirkung nutzen, die sie gebraucht hätte.
    Bitte, lieber Gott, nein. Inzwischen umschloss er ihren Hals nicht mehr nur mit seinen Latex-Fingern, er drückte ihr die Kehle

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