Online Wartet Der Tod
nicht besser.« Jenkins, groß und muskulös, ließ sich auf seinem Bürostuhl nieder. Sein Kiefer mahlte. »Wir haben was zu besprechen. Und ich rede erst weiter, wenn Sie sitzen. Sie haben zu viel Energie, Hatcher.«
Ellie gehorchte, aber Jenkins’ Kiefer mahlte unaufhörlich weiter. Das tat er häufig. Hatcher nahm an, dass der Lieutenant diese stoische Miene aus gutem Grund ebenso kultivierte wie seinen rasierten tiefschwarzen Schädel. Er wirkte unzweifelhaft seriös. Eine Autorität. Die überwiegend weißen Detectives, deren Vorgesetzter er war, hatten ihn vom ersten Augenblick an hundertprozentig akzeptiert. Auf Jenkins ließ keiner was kommen. Nach etwa einem Monat im Büro der Detectives hatte Hatcher gelernt, dass die Art, wie sein Kiefer sich bewegte, erkennen ließ, was unter der harten Oberfläche vor sich ging. Und jetzt sah sie, dass er beunruhigt war.
Jenkins war beunruhigt, und er hatte sie in sein Büro zitiert. Sie stand nicht, sie saß. Da war etwas im Busch.
»Heute Morgen hat ein Detective von der Mordkommission bei mir angerufen.«
»Ist alles in Ordnung?« Sie hörte selbst, wie aufgeschreckt sie klang. Ihre Arbeit hatte mit der Mordkommission nichts zu tun. Sie war erst seit einem Jahr und einem Monat Detective und ganz zufrieden damit, sich um Betrug und Raubüberfälle zu kümmern. Bislang war sie nur ein einziges Mal überraschend von der Polizei angerufen und über einen Todesfall informiert worden; damals war sie vierzehn gewesen, und bei dem Toten hatte es sich um ihren Vater gehandelt.
»Das hängt wohl davon ab, was Sie darunter verstehen. Einer von den Kollegen dort hat ein paar Frauenleichen und scheint der Meinung zu sein, Sie könnten ihm helfen, den zu finden, dem er sie verdankt.«
»Wie bitte?«
»Nichts für ungut, aber ich habe mich auch gewundert. Sieht so aus, als hätte er sich eine Theorie zurechtgelegt. Offenbar ist er überzeugt davon, dass nur Sie in der Lage sind, ihm zu helfen. Sie werden abgeordnet.«
»Zur Mordkommission?«
»Regen Sie sich nicht auf. Es ist eine Abordnung. Vorübergehend. Sie tun dort, was Sie können, und wenn Sie genug haben von der anderen Liga, kommen Sie wieder zurück.«
»Selbstverständlich. Vorübergehend.«
Jenkins schaute durch das Fenster, das ihn von den Detectives trennte. Er presste die Kiefer zusammen. »Mehr sollten Sie gar nicht wollen. Was die Leute auch sagen, Erfolge haben ihren Preis. Sie müssen doppelt so gut sein wie die anderen. Wenn Sie Ihr Ziel zu schnell erreichen, wird es heißen, Sie hätten sich das nicht verdient.«
Ellie wusste genau, was er meinte. Sie war schneller Detective geworden als die meisten anderen, nach nur vier Jahren auf Streife, und die Beförderung war zeitlich genau mit dem Presserummel um sie zusammengefallen. Ihr war klar, dass die anderen Cops spekulierten, ob sie aufgestiegen war, weil sie eine Frau war, oder wegen der Presse oder beides.
»Ja, Sir. Danke. Ich verstehe es aber immer noch nicht. Wer ist dieser Detective?« Nicht, dass das eine Rolle spielte. Sie kannte ohnehin niemanden von der Mordkommission.
»Flann McIlroy. Schon von ihm gehört?«
»Den Namen, klar.« In Wahrheit hatte sie den Namen immer leicht abgewandelt gehört. McIl-Mulder, wie er in Anlehnung an Fox Mulder aus der Serie Akte X genannt wurde, war Gegenstand lebhafter Diskussionen und vor allem Lästereien unter den karrierebewussten Detectives. Sie nahmen ihm die allgemeine Bewunderung übel, die er zu genießen schien. Bei dem Fall, der seinen Status als Medienliebling besiegelt hatte, war eine klinische Psychiaterin in ihrem Wohnhaus am Central Park West auf einer gerade im Umbau befindlichen Etage aus dem Fahrstuhl gezerrt worden. Achtundachtzig Mal war mit einem Messer auf sie eingestochen worden. Ob sie davor, währenddessen oder danach vergewaltigt worden war, hatte der Gerichtsmediziner nicht mit letzter Sicherheit feststellen können.
»McIlroy scheint der Meinung zu sein, dass er etwas über Sie weiß«, fuhr Jenkins fort. »Finden Sie sich damit ab. Sie hatten in letzter Zeit mehr Presse als die meisten von uns während ihrer gesamten Laufbahn. Was zum Henker das mit zwei Leichen in New York zu tun hat, können Sie selbst rausfinden.«
Nur zu gern hätte Ellie erklärt, dass sie diesen Presserummel nicht gewollt hatte. Abgesehen davon, dass es in den Meldungen nicht um sie gegangen war. Sondern um ihren Vater. Nein, noch nicht mal das. Es war um den Mann gegangen, den ihr Vater gejagt hatte
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