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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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Derart gestärkt, schien er gefühlsmäßig bei sich selbst anzugelangen. Er war im Laufe des Tages so abwesend gewesen, daß ihm nun die Versöhnung mit seinen Sinnen wie eine Liebkosung erschien. Er steckte den Kopf zum Fenster hinaus. Mit Sternen überzogen wie ein rubinbesetzter Chronometer, entriß ihm das himmelblaue Uhrwerk Seufzer der Bewunderung. Die Genauigkeit war der Kult seines Lebens! Während er seufzte, umhüllte ein harziger, balsamgleicher Geruch seine Brust. Die Baumreihen, die die Avenida säumten, beschworen sofort seine Sympathie herauf. Er meditierte eine Weile über ihre unerschütterliche Disziplin und ihre gutmütige Ehrerbietung, ohne einen anderen Lohn zu erhalten als die Axt der Stadtverwaltung und den Urin der kleinen Jungen … Und während er an ihnen vorbeifuhr, breitete er seine Zärtlichkeit über sie aus wie ein besiegter General über sein übel zugerichtetes Heer. Als er sich schon dem Ende der Allee näherte, bemerkte er, wie die Hitze der übermäßigen Beleuchtung das Laubwerk austrocknete und es in Perlmutt- und Zelluloid-Tönen färbte. Er war vor Rührung überwältigt. Dachte daran, daß sie bald beginnen würden, Knospen zu treiben, um im Sommer Schatten zu spenden, ohne einen anderen Anreiz, als neues Vogelgezwitscher für ihre winterliche Trostlosigkeit zu sammeln. Diese Eigenschaft, sich einfach so zu geben, aus angeborener Güte und wesenhaftem Gebot, berührte ihn im tiefsten Herzen. Seiner Meinung nach war es die höchste Eigenschaft. Er persönlich rühmte sich damit, ebenfalls ein Baum zu sein, der ohne die Absicht, Dank zu ernten, oder das Streben, sich hervorzuheben, Blüten und Früchte abwarf.
    »Geben, geben, aus innerem Drang heraus, bis ich mich ganz geben kann und verschwinden werde! Dem Leben Geist und dem Tod Materie geben, damit sie Duft und Humus der Menschheit seien! Geben! Sich geben!«
    »Sprechen Sie mit mir, Señor?«
    »Ja. Biegen Sie rechts ab. Fahren Sie mich zum Plaza Hotel.«
    Die Stimmigkeit der Lüge rief ein freundliches und schmerzliches Lächeln auf seinen Lippen hervor.
    Obschon sie vonnöten gewesen war, bekümmerte ihn die Lüge. Doch seine Laune verbesserte sich schlagartig, als er den Ursprung seines Hilfsmittels bedachte. Nun erfüllte ihn dieselbe Ausflucht mit Befriedigung, zeigte sie doch den Wiedergewinn seiner Geistesfähigkeiten, die durch Ironie und Spontaneität eines Südländers würdig geworden waren.
    Er war fast zufrieden. Fast, denn die Unruhe des Tages hatte seine Pünktlichkeit beeinträchtigt. Er kam nirgendwo pünktlich an. Ein unheilvolles Vorgefühl beschlich ihn. Die Schicksalhaftigkeit verhöhnte eine Qualität, die er mit einer Sorgsamkeit pflegte, wie man sie Stecklingen angedeihen läßt; denn pünktlich zu sein, ist eine Art, sich sicher in den Stamm der Zeit einzupflanzen.
    Zum Glück dauerte seine Beschämung nur kurz an. Der glatte Boden der Avenida Alvear bereitete ihm ein Gefühl der Gesetztheit, das er an diesem Sonntag umso mehr vermißt hatte, als es charakteristisch für ihn war. Er verwandelte sich daraufhin wieder in den reinen, ernsten und starken Mann, der er sonst war, kompliziert vor übermäßiger Einfachheit. Er griff erneut zu der Formel: Gleichgewicht von Kunst und Fleiß, von dichterischem Überschwang und Geld, als die er seinen Lebenswandel begriff. Und scharfsinnig wie er war, nahm er in der geistreichen List Zuflucht, alle latenten Sorgen mit dem unmittelbaren Bevorstehen seines Banketts zu überdecken.
    Seine Gewohnheit, für Kreise von geschätzten Freunden Dinners zu geben, war eine Gewohnheit mit geheimen Wurzeln. Seine Beweggründe riefen stets Neugierde hervor, umso mehr, da er weder Feste besuchte noch irgendeine Einladung annahm. Die gemächlichen und reichhaltigen Mähler – seinem Aphorismus angepaßt: Die Kunst des gourmand besteht darin, viel zu probieren und nichts zu essen – verzeichneten nie auch nur einen Abtrünnigen; denn seine Freunde schätzten an Op Oloop das im Triumph verborgene Feingefühl und applaudierten mit ihrer Anwesenheit jedes Mal einem erzielten Sieg.
    Gemäß den Einladungen, die er selber am Morgen aufgesetzt hatte, sah er sie bereits um den Tisch sitzen, der, da er rund war, jeden rangmäßig nach seinem fröhlichen Bezug zum Grund der Feier plazierte. Ausgenommen Ivar Kittilä, der zum ersten Mal an einem seiner Essen teilnahm, fühlte er intuitiv, daß die übrigen Gäste seine Verspätung verzeihen würden, so wie wahre Freunde verzeihen,

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