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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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ohne ein Wort zu sagen und, als ob nichts wäre, auf dem Teppich der vergehenden Zeit auf- und abmarschieren.
    Der Beweggrund dieses Abends war gewiß erstaunlich. Er war bereit, ihn zu enthüllen, immer vorausgesetzt, daß die von ihm vorhergesehene Tragödie nicht zu schmerzhaft werden würde. Für Op Oloop stellten seine Bankette ein Linderungsmittel dar. Sie ließen ihn nicht den Erfolg vergessen, sondern die arbeitsame Qual, ihn zu erlangen. Daher bemühte er sich, sobald er seinen Platz eingenommen hatte, die geistigen Distanzen auszulöschen und nivellierte das Gespräch in einem ungezwungenen und gutmütigen Ton. Manchmal übertraf er alle an Aufrichtigkeit oder Kühnheit, um eben diese seine Überlegenheit zum Verschwinden zu bringen.
    Bei diesem Stand der Dinge überkam ihn ein Vorgefühl. Und dieses Vorgefühl mischte sich mit dem – bereits unbezwingbaren – Gefühl von Sarkasmus, daß er, der Gastgeber, die Verspätung hervorrief … Unruhe und Ehrgefühl senden Schwingungen aus, die das Temperament reizen. Er war ihnen erneut zum Opfer gefallen und sein Gesicht begann sich wieder zu verfinstern. Die Unbeständigkeit seines inneren Klimas störte ihn. Er sah diese Aufregungen als Gewitterwolken an, dennoch lösten die Blitze des Begriffsvermögens sie nicht auf. Daher hielt er es für dringlich, die innere Umgebung durch umfassendes Vergessen aufzuheitern. Und sich auch von außen herauszuputzen, um das Verhalten an sein gewöhnliches Auftreten anzupassen.
    Er konnte sein Vorhaben nicht mehr in die Tat umsetzen.
    Das Automobil fuhr bereits auf die Plaza San Martín ein.
    Als es anhielt, stieg er so ernst aus, daß sein finsterer Gesichtsausdruck noch dunkler wurde.
    Er richtete seine Schritte direkt zur Toilette. Zu seinem Glück war niemand sonst da. Als er in den Spiegel blickte, bemerkte er die Masken dieses Tages, die zu einem Ausdruck wahrhaftiger Qual zusammengeschmolzen waren. Er tränkte das Handtuch in kaltem Wasser, frottierte seine Haut ab und brachte mit Kölnisch Wasser die durchscheinenden Grimassen zum Verschwinden. Nachdem er damit fertig war, schloß er mit seinem Verdruß ab, indem er die rechte Handfläche von der Stirn bis zum Kinn herunterstrich, wie jemand, der die Metallrollos eines schlecht laufenden Geschäftes herunterläßt.
    Es war fast ein Wunder.
    Der Spiegel warf ein völlig anderes Bild zurück. Seine geordnete, stattliche Erscheinung wurde erneut von Eleganz gekrönt. Und das Gesicht stellte die Firnis des Lebens zur Schau, die der matten Epidermis für gewöhnlich von der Schamesröte oder der Heftigkeit hinzugefügt wird.
    Während er seine Krawatte richtete, rief er nach innen hinein: »Welche Gesichter muß ich heute gezeigt haben! Ich habe gelebt, ohne mich zu sehen. Es ist schauderhaft, sich mit eiserner Disziplin versenkt, bezwungen, ergeben, erstickt zu haben, um hierhin zu gelangen: ein humanistischer Automat zu sein, der schreit, springt und deliriert, sobald es zur ersten Niederlage kommt. Wenn sie mich wenigstens verstehen würden … Aber ich fürchte, von der Unwissenheit von Franziskas Familienangehörigen bereits abgestempelt worden zu sein. Die Unwissenheit ist immer apriorisch und dogmatisch! Wenn sie wenigstens wüßten, daß meine Verrücktheit mir ganz allein gehört, sie ist in allen Punkten so einzigartig, daß noch niemand sie katalogisiert hat … Wenn sie wenigstens …«
    Ein abrupter Entschluß schnitt sein Selbstgespräch ab.
    Er trat hinaus.
    Während er mit großen Schritten in Richtung der Bar ging, feilte er an seinem Vorhaben, sein Ich in das sichtbare Ich aller Tage zurückzuverwandeln.

22:04
    Die Gäste waren bereits eingetroffen. Doch er sah sie nicht. Sein Blick war gelähmt vor Überraschung angesichts des Zifferblattes der Uhr, das 22 Uhr und 4 Minuten anzeigte, und dem genau darunter hängenden Wechselblattkalender, der den 22. Tag des 4. Monats auswies. All seine Besorgnis über die Verspätung löste sich in dieser Übereinstimmung auf. Die trivialen Dinge durchdringen das verborgene Wesen des Menschen auf unvermutete Weise. Er selbst hatte beobachtet, wie in von Qualen gepeinigten Personen unbedeutende Gründe die Sorgen wegwischen. Er wußte von einem Menschen, der, von der Verantwortung für einen monströsen Inzest bedrückt, seine Besessenheit durch den Gebrauch von engen Stiefeln im Zaum hielt. Und von einem Kameraden (aus der Zeit, in der er im Landwirtschaftsministerium tätig war) mit zwei schimpflichen Abmahnungen,

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