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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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deren Reizen wie eine Reihe von Mönchen mit kugelförmigen Kutten.
    Op Oloop irrte sich in der Wegrichtung.
    »Sie gehen falsch, Señor. Halten Sie sich rechts«, schrie ihm der Wächter nach.
    Er hörte es nicht oder wollte es nicht hören. Mit großen Sätzen schritt er aus und fraß sich mehr und mehr in das Halbdunkel des Pfades. Sein Schatten hob sich kaum zwischen den schweren Schatten der Bäume ab.
    »Dieser Verrückte wird mir noch Kopfzerbrechen bereiten!« dachte sich der Parkwächter und folgte ihm mit dem festen Vorsatz, ihn aus dem Botanischen Garten zu entfernen.
    Sinnestäuschungen und die bemerkenswerte Hartnäckigkeit, mit der sich erotische Ideen festsetzen, sind typisch für das systematisierte Delirium. Romantische Liebe oder bis zum äußersten getriebener Platonismus machen den Antrieb des ziehenden Ritters oder die süße Berufung des Troubadours aus. Oder ihrer modernen Entsprechungen. In diesem speziellen Stadium zersetzen Manie und Fieber die Wirklichkeit. Kleine Gesten einer Frau werden maßlos überinterpretiert. Unschuldige Bezeugungen guten Benehmens bringen den Glauben an eine erhabene Liebe zum Erblühen. Die Beziehung ist rein halluzinativ und gerade deswegen von unübertrefflicher autosuggestiver Kraft.
    Op Oloop war kein Paranoiker dieser Art, doch eine Spur davon war ihm in jener Nacht zu eigen. Anscheinend bei gutem Verstand, zwang ihn die Unvollkommenheit seiner Gefühle zu widersprüchlichen Haltungen. Es bestand kein Zweifel, daß er im Traum gefangen war. Ein anderes, vielleicht klareres Bewußtsein der Ereignisse war in ihm erkeimt. Und seine Persönlichkeit spaltete sich, um abwechselnd zwischen seinem Normalzustand und dem den Umständen entsprechenden Zustand hin und her zu schwanken, deren Einfluß er unterlag.
    Bei diesem Stand der Dinge erschien ihm Franziska an seiner Seite. Ein derartiges Wunder entfachte seine inneren Stürme. Er drückte sie an sich, schob sie von rechts nach links, hielt sie wie ein Schild vor sich. Zweifelsohne, die Vegetation nahm für ihn entsetzliche Züge an. Die Zweige erschienen ihm wie liederliche Arme. Die zitternde Erregung der Blätter, eine infame Sarabande.
    Der Wächter überraschte ihn bei seinem Scheingefecht. Er konnte sie sich nicht erklären und schritt demnach unter größter Vorsicht weiter.
    Der Statistiker wurde von Paramnesien bedrängt, einer Perversion des Gedächtnisses. Das Bild der Realität war von ungeheuerlichen Reminiszenzen »zugedeckt«. Die Illusion der Erinnerung verfälschte seine Urteilskraft. Und da ihm die Klarheit zur Unterscheidung fehlte, kamen die Empfindungen seiner Phantasie den authentischen der wirklichen Welt zuvor.
    Als der Wächter ihn zu erreichen drohte, floh Op Oloop in ein von Laternen erhelltes Blumenbeet. Er war geblendet. Die vormals unter der schattigen Wölbung des Blattwerks absurden Verrenkungen erstarrten nun zu einer harten und forschenden Haltung. Er suchte Franziska. Suchte sie in der Luft, um sich herum, im Widerschein, ohne sich dabei von der Stelle zu bewegen. Seine Halluzination war so wahrhaftig gewesen, daß ihm ihr Verschwinden wie Magie vorkam.
    Den Wächter bemerkend, fuhr er ihn an: »Wo ist Franziska? Übergeben Sie mir Franziska!«
    Doch plötzlich berichtigte er sich: »O nein, nein! … Entschuldigen Sie … Ich habe Unsinn geredet. Der Mensch verfällt oftmals Täuschungen … Der Geist trägt die Schuld daran … Wenn das Fleisch in Schlaf gefallen ist, gefällt es dem Geist, zum Streichespielen aufzubrechen … Kehrt er rechtzeitig in sein Haus zurück, legt ihm keiner die Streiche zur Last … Doch bei gewissen Gelegenheiten erwacht das Fleisch zu früh … Dann kann der Geist nicht eintreten … Das ist es, das ist es! … Mein Geist ist außer mir … Entschuldigen Sie!
    »Sie sind entschuldigt, Señor. Aber begleiten Sie mich. Ich werde Sie bis zur Plaza Italia führen. Dort können Sie ein Taxi oder die Straßenbahn nehmen, um nach Hause zu fahren und sich auszuruhen.«
    »Nach Hause? Schön wär's! Heute gebe ich ein Bankett …«
    »Dann also zum Bankett …«
    Er gehorchte.
    Sein Schritt paßte sich dem des Wächters an. Entgegen dem typischen Verhalten eines Melancholikers reagierte Op Oloop mit Energie, egal ob es sich um einen förderlichen oder einen hinderlichen Auslöser handelte. Vielleicht hatte seine kraftvolle Statur Einfluß darauf. Von Kindesbeinen an im Sport gestählt, verhinderten seine Kraftreserven die Transformation seiner

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