Op Oloop
Persönlichkeit in einen dieser bemitleidenswerten gehenden Karyatiden, die introvertierte Menschen verkörpern. Als an einem Kreuzweg Licht durch die Blätter fiel, betrachtete der Wächter ihn aus den Augenwinkeln. Er sah zufrieden aus; die Bedrängungen aus dem Gesicht gebügelt, sprühte er vor guter Laune wie ein Prüfling nach bestandenem Examen. Dies verleitete den Wächter, den Druck auf Op Oloops Tempo zurückzunehmen und löste seine Zunge.
»Der Abend ist nicht besonders schön, was soll man sagen … es geht ein Lüftchen …«
»Er ist wundervoll. Man merkt, daß Sie den Nordwind des Arktischen Eises nicht kennen …«
»In der Tat … Ich komme aus San Juan. Ich kenne nichts weiter als den glutheißen Atem des Zonda-Windes. Dieses Flußlüftchen macht mich kaputt. Wären meine Frau und die Kinder nicht, ich würde diese Arbeit zum Teufel schicken.«
»Sie arbeiten?«
»Was denken Sie denn, was ich hier gerade mit Ihnen mache?«
»Ah, ja. Entschuldigung!«
Op Oloop brach in ein nasales Lachen aus.
Die Gesundheit ist ein Zustand der inneren Hygiene. Die Krankheit eine Verunreinigung der Seele, mit dem Schmerz als ihrem Schmutzrand. Der Marsch und das Lachen taten ihm gut. Ein großer Bereich wurde dadurch gereinigt.
»… Vor allem sonntags, wie heute, haben wir regelmäßig eine Mordsarbeit. Eine Vielzahl von armen Teufeln, die im Hippodrom verloren haben, schleichen sich hier ein. Sie haben Angst davor, abgebrannt nach Hause zu kommen. Kaum geben wir einmal nicht acht, lassen sie Pflanzen mitgehen. Sie möchten ihre Frauen einwickeln … Und dann Besoffene, Dichter, Pärchen … Uff! Sie wissen schon.«
»In der Tat, ein verdächtiges Völkchen.«
»Wem sagen Sie das! Und es bleibt uns nichts anderes übrig, als wachsam zu sein, die ganze Nacht zu patrouillieren, um zu sehen, daß die Ordnung eingehalten wird.«
»Welche Ordnung?«
»Die Ordnung, die es untersagt, auf den Bänken zu schlafen, im Gestrüpp Geschlechtsverkehr auszuüben und sich im Botanischen Garten das Leben zu nehmen.«
Das Gespräch schlug um. In Op Oloop stiegen selbstanklägerische Zweifel empor. Er übertraf sich selbst, als er von seiner Besorgnis ausgehend eine verwerfliche Zusammenfassung aufstellte. So wies er sich die unwahrscheinlichsten Verfehlungen zu, deren Tragweite ihn bedrückte. Mit einer fahrigen Geste und tiefer Diapasonstimme ließ er anklingen: »Guter Mann, sagen Sie mir offen, ob ich …«
»Seien Sie unbesorgt. Sie sind ein anständiger Mensch. Kommen Sie einfach her, wenn Ihnen danach ist.«
Sie hatten den Gehsteig erreicht.
Der Statistiker fühlte eine Art von Kribbeln im Geist. Sein Denken wurde ungenau, unbeständig. Er wußte nicht, wie er die Einladung des Wächters auslegen sollte. Einige Sekunden lang errötete er beim Gedanken an die aufgetretenen Zwischenfälle. Einige Sekunden lang bemühte er sich, die Myriaden von Neuronen zu beruhigen, die in seinem Kopf arbeiteten. Im Grunde war er naiv, leidenschaftlich naiv. Er war nahe daran, erneut in ein Delirium zu fallen. Schuld und Selbstanklage durchfurchten sein Hirn; denn das Unbedeutende erregte ihn ebenso wie das Bedeutsame. Doch dann erleuchtete ihn ein genialer Geistesblitz. Er steckte die Hand in die Tasche, zog zwanzig Pesos heraus und übergab sie dem Wächter unter Beteuerung seiner Unwürdigkeit und Demut: »Nehmen Sie, mein Freund. Ich werde Sie nie wieder in Verlegenheit bringen.«
Der Mann aus San Juan traute seinen Augen nicht. Seine Gefühlsregung war so groß, daß er kein Wort des Dankes fand. Als er sich besann, war es zu spät. Op Oloop überquerte bereits die Straße und öffnete die Tür eines Autos. Und das Auto, gedrängt vom Verkehrsfluß, verlor sich im Tumult aus Hupen und quietschenden Reifen.
Der Chauffeur fuhr um die Garibaldi-Statue herum und fädelte sich in Richtung des Denkmals der Spanier ein.
Der Wächter war noch immer verdattert. Die Schnelligkeit der Szene weckte seinen Argwohn. Vor Konzentration legte er den Kopf schräg.
»Welch Eile! … Sie werden ja wohl nicht falsch sein?«
Er näherte sich einer Laterne und hielt die Scheine gegen das Licht. Sah die Wasserzeichen. Und indem er sie für echt erklärte, beglaubigte er seinen noch frischen Undank.
Währenddessen genoß Op Oloop die Wollust der Unterwerfung, die es bedeutete, gefahren zu werden.
Die Geschwindigkeit drückte immer mehr Luft ins Innere des Wagens. Und der Passagier drückte wie ein Yogi immer mehr Luft in seinen Brustkorb.
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