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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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des Benehmens. Erik war nun sanft und Peñaranda heftig. Der Zuhälter war der einzig Beständige. Die Fassade seines Charakters – wenn auch vom Ärger mit einer leichten Patina versehen – war wie immer golden und ruhig.
    Der Luftraum, den jeder mit seiner fleischlichen Masse ausfüllt, vergrößert und verformt sich in solchen Notlagen. Und wenn ein unbesonnener Astralkörper – grüngelb mit fahlen Streifen – aus dem Häuschen seines Hohlraums gerät, sprengt er ektoplasmatisch die vormals passende Form des Seins. Man braucht keine besondere Hellsichtigkeit, um festzustellen, daß die Seele der innere Anzug der Materie ist. Ein Anzug, der den Moden des Intellekts und dem Klima des Temperaments unterliegt, die wir, ohne es zu wollen, zur Schau tragen. Ein Anzug, der sich abnutzt, erneuert und sogar verschwindet. Ein Anzug, der uns in Dandys verwandelt oder unser Elend mitträgt, je nachdem, ob gerade Saison für Haß, Liebe, Verachtung oder Wohlgefallen ist.
    Der in dieser Hinsicht leicht bekleidete Luftfahrtkommissar zitterte. Er fühlte die eisige Kälte des Vorwurfs. Und schneidend, ganz ein Eiszapfen, beharrte er noch einmal: »Ich sehe nichts ein! Es ist eine Vermessenheit!«
    Op Oloop, der innerhalb weniger Stunden die reiche Vielfalt seiner psychischen Garderobe an- und abgelegt hatte, befand sich nackt in der Einsamkeit der Introspektion. Endlich hallte das Wort dort wider. Und nachdem sein Rückzug einmal unterbrochen war, griff er nach dem nächstbesten »Ausgehrock«, um sich darum zu kümmern, was in der Außenwelt geschah. Zuerst öffnete er ein Auge. Dann strich er mit einer Hand die Falten auf seiner Stirn glatt. Bereits von einem Nimbus der Gelassenheit umkränzt, begannen die beiden im Flug begriffenen Schwingen seiner Augenbrauen wieder herabzugleiten. Die Vorsichtsmaßnahme hatte seine Stellung gefestigt. Dann sprach er: »Vermessenheit … Haben Sie auf die Schönheit dieses Wortes geachtet? Ver-mes-sen-heit! Wer hat das gesagt? Seine Melodie und sein Klang ertönen wundervoll. Das Wort ist so schön, daß es fast akzeptabel wäre, die schlimmste Vermessenheit zu begehen!«
    Peñaranda biß sich auf die Lippen. Spröde und nervös wie er war, schoß ihm die Scham ins Gesicht. Er machte eine Geste voll mitleiderregendem Zorn und würgte den bereits als Schrotschuß aus Schmähungen zur Explosion vorbereiteten Satz herunter.
    Gastón Marietti applaudierte ihm verstohlen: »Sehr gut, mein Freund. Eine Erbitterung gegen Op Oloop zu tilgen, bedeutet, die Freiheit seines Geistes zu gewinnen. Sehen Sie ihn an. Er ist erhaben! Sie hatten vor, ihn zu beschimpfen, und er gibt Ihnen das Wort in Unschuld eingewickelt zurück. Nur ein Wahnsinniger, der unter der Verwüstung der Kultur und der Güte leidet, ist dazu fähig.«
    In der Zwischenzeit hatte Op Oloop den Füllfederhalter hervorgeholt, und gefangen von graphischer Raserei kritzelte er eine Reihe von Tabellen und Formeln nieder, deren esoterischen Sinn er mit geheimem Genuß auskostete.
    »Vermessenheit! Was für ein außergewöhnliches Wort! Man kann daraus Buchstabenrätsel, Geheimschriften und Zahlencodes von exquisiter Schwierigkeit bilden. Wer ist darauf gekommen, es auszusprechen?«
    »Ich«, gab der Angesprochene fast zaghaft zu.
    »Mensch, ich beglückwünsche Sie von ganzem Herzen! Es gibt Wortkenner, wie es Weinkenner gibt. Das Wort ist eine göttliche Schöpfung: ein sephiroth. Sie schnappen diese Begriffe auf. Ich werde schon meinen Grund gehabt haben, als ich sagte, daß Sie furchtbar wohlerzogen sind. Sehen Sie nur, uns eine so spirituelle Substanz wie Vermessenheit zu bringen!«
    Jemand erhob sich geräuschvoll und lädierte seine Begeisterung: Robín.
    »Gestatten«, fragte umgehend ein weiterer: Erik.
    Und beide gingen hintereinander in Richtung der Herrentoilette.
    Der Gastgeber sah mit eingefallenem Mund zu, wie sie sich entfernten, und spürte auf einmal das stechende Unbehagen von etwas unmittelbar Bevorstehendem. Er sprang mit einer Abruptheit auf, die alarmierend war, und balancierte seinen schweren Leib mit riesigen Schritten in dieselbe Richtung.
    Der maître gab ein Zeichen seiner Ehrerbietung, als er vorüberging. Ohne sich dazu herabzulassen hinzusehen, hatte Op Oloop es registriert.
    Während er bereits die Tür durchschritt, schrie er ihm zu: »Bringen Sie die Rechnung.«
    Die Übrigen drängten sich daraufhin zusammen, um Op Oloops Geschreibsel zu untersuchen.
    »Was für ein einmaliger Typ! Er kann sich

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