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Op Oloop

Op Oloop

Titel: Op Oloop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juan Filloy
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gleichzeitig an alles erinnern und alles vergessen.« »In der Tat. Vor allem vergessen. Alles in ihm neigt zum Vergessen. Deshalb erinnert er sich an so viel!«
    Ivar stimmte bewegt der Meinung des Zuhälters zu.
    »Er war immer so. In der Schule nannten wir ihn wegen seiner Statur und seiner Größe den ›Zyklopen‹. Er hat sich kein bißchen verändert. Er hat noch dasselbe Selbstvertrauen, ohne dreist zu sein, und dieselbe melancholische Weisheit. Heute, nichtsdestotrotz …«
    »Ja. Heute ist er nicht …«
    »Vielleicht der …«
    »…«
    Keiner traute sich, das Unvermeidliche auszusprechen. In dieser Stille lag eine großmütige Stärke. Jeder zog es vor, sich innerlich zu verbrennen und im Schmerz zu läutern, anstatt die Vorahnung herauszuraunen, die sie gefangenhielt.
    Als die anderen zurückkamen, hatte die Beständigkeit der Intuition die ernsten Mienen verhärtet. Sie versteckten sie, indem sie die Zettel betrachteten.
    Op Oloop fragte feierlich: »Verstehen Sie?«
    »Nicht im geringsten.«
    »Wenn es Pläne für die Kanalisation wären …«
    »Nun, Señores, Vermessenheit! Nichts weiter als die Vokabel von Peñaranda, versteckt durch das Rätsel und vergeistigt durch die Zahl.«
    Auf einem Silbertablett hatte der maître die Rechnung auf den Tisch gleiten lassen.
    Die Ziffernansammlung zog Op Oloop mit unüberwindbarer Verführungskraft an.
    Instinktiv rechnete er jede Summandenreihe aus, ebenso wie ein Provinzler die Stockwerke der Wolkenkratzer in der Hauptstadt zählt. Erst als er deren Richtigkeit bestätigt hatte, wurde er gewahr, was dort addiert wurde. Infolgedessen prüfte er erneut die item. Und als er alles verglichen hatte, ließ er seinen Blick in Erinnerung an das Mahl dahingleiten.
    Er konnte nicht von der Kontrolle lassen. Sie war eine unbestechliche Manie. Ohne die Augen zu heben, sah er den Verzehr durch, stellte die Marken gegeneinander, bestätigte die Preise. In besagte Operation legte er mehr als alles andere professionelle Sorgfalt. Als er sich aufrichtete und den maître neben sich sah, lächelte er ihm wie einem gewissenhaften Untergebenen zu: »Sehr gut. Es ist sehr gut: zweihundertachtundneunzig und fünfzig.«
    Er strahlte vor Vergnügen.
    Wenn er ein armer Teufel gewesen wäre, einer von jenen, die in ähnlichen Fällen die hochmütige Lässigkeit von Millionären an den Tag legen, hätte er ohne ein Wort zu sagen gezahlt; denn sie sind so töricht, daß sie sich wie jene bestehlen lassen, deren Nachsicht nichts als simple Rückerstattung ist …
    Er war großzügig, aber genau.
    Demzufolge holte er Feder und Brieftasche hervor. Er addierte zehn Prozent als Trinkgeld und deponierte drei Hunderterscheine, zwei Zehner, einen Fünfer und drei Einer auf dem Tablett.
    Bei diesem Stand der Dinge kam es zu einer peinlichen gaffe. Der maître, der sah, wie Op Oloop Feder und Brieftasche einsteckte, beeilte sich, nach dem Tablett zu greifen.
    »Warten Sie!« schrie er, eher bekümmert als autoritär. »Es fehlt noch etwas.«
    Und er griff nach seiner Geldbörse.
    Er hatte nur dreißig Centavos. Er legte sie hinzu. Dann zog er aus der Innentasche seines Jacketts sein Schreibetui. Er suchte eifrig darin herum. Und zu guter Letzt legte er auf die Hunderterscheine das rote Fleckchen einer Fünf-Centavo-Briefmarke und bedeutete genußvoll: »Nehmen Sie. Die Summe ist komplett.«
    Keiner war mehr überrascht. Die Gäste beobachteten die Zahlszene mit einem »Was geht mich das an« und plauderten dabei miteinander. Eine Exzentrik mehr, was heißt das schon, wenn das Syndrom einmal aufgetreten ist?
    Die Lustlosigkeit begann den Anstand aufzuweichen. Ivar gähnte. Slatter ließ seine Gelenke knacken. Op Oloop fühlte sich belästigt: die Harmonie des Tisches, in Form eines Konzertes aus Worten und Manieren, geriet seiner Auffassung nach in Unordnung. Genauso, als würden sich in einem Gemälde von Watteau durch irgendeinen Kunstgriff plötzlich vulgäre Szenen abspielen. Er gab sich daher in seiner Freundlichkeit noch größere Mühe, behielt den Rüffel für sich und hob an:

02:50
    »Meine lieben Freunde, es ist zehn vor drei und Zeit zu gehen. Das heutige Dinner wird in meiner Erinnerung den Platz einnehmen, den meine Dankbarkeit den glücklichen Begebenheiten des Lebens beimißt, und die Tiefe der Gefühle erlangen, die meine leidenschaftliche Zuneigung weckt. Danke schön. Vielen Dank.«
    Und er erhob sich mit düsterer Eleganz.
    Ohne irgendeinen Kommentar taten es ihm alle

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