Op Oloop
nach.
Während sie ihre jeweiligen Kleidungsstücke in Empfang nahmen, führte die Wesensverwandtschaft Ivar und Erik zusammen, Slatter und Peñaranda, den Studenten und den Zuhälter. Allein zog der Statistiker mit edler Ernsthaftigkeit seine Handschuhe an und drehte sich, um seinen Schatten zu betrachten.
Sie gingen hinaus.
Die Nacht strahlte einen ruhigen Zauber aus. Die Abhänge des Retiro-Parks luden zur Rutschpartie auf ihren vom Mond versilberten Rutschbahnen ein. Die Flußbrise besprengte den Rasen mit feinen Schaudern und bedrohte den gierigen Schlaf der Spatzen auf den Bäumen.
»Gehen wir zu Fuß …«, schlug Gastón vor.
»Wir müssen weg. Es ist sehr spät. Ich muß um sieben auf den sets der Fonofilm sein. Danke für deine Einladung.«
»Gute Nacht, Señores. Mit dir muß ich über private Angelegenheiten sprechen. Ich komme am Mittwoch zu dir nach Hause.«
»Warum nicht früher?«
»Vielleicht …«
Einmal um die Ecke gebogen, stiegen Ivar und Erik in Richtung des Hafenviertels herunter. Sie hatten sich bereits abgesprochen. Sie würden die skandinavischen boîtes und Bars besuchen, wo der Räucherhering, der alte Wacholderbranntwein und die gesalzene Butter nordischen Festgelagen ihre Atmosphäre verleihen, in denen sich Lieder von Wäldern und Fjorden mit den Hinterbacken fettleibiger Kellnerinnen aus Christiania und Hetären von porzellanener Haut aus dem dänischen Königshaus vermischen.
Op Oloop sah sie sich in versonnener Nonchalance entfernen.
»Was für spröde Typen! Wenn das Freundschaft ist, ist mein Hintern eine Geranie«, verkündete Robín gekränkt.
Glücklicherweise wurde jener absurde Abschied auf innige Weise kompensiert.
Der Chef des Amtes für Wasserversorgung und der Luftfahrtkommissar ließen die Ermattung des Freundes verschwinden und riefen bei ihm ein Lächeln hervor, das zwischen den Umarmungen hin und her schwankte. Ein von vier Pupillen erleuchtetes Lächeln, zwei davon aus Tränen.
Als er ihn ein letztes Mal in die Arme schloß, fügte Peñaranda hinzu: »Danke. Alles war vorzüglich. Vorausgesetzt, daß meine Frau mir nicht grollt!«
Und er machte sich im plötzlichen Schweigen davon.
Diese beiläufige Erwähnung des Ehelebens traf Op Oloop an seinem wunden Punkt. Wenn man vom Zölibat ermüdet ist, ersehnt die Seele die Behaglichkeit des verheirateten Lebens. Er hatte immer von ihr geträumt. Und als er sie am nächsten wähnte, zack! der Reinfall. Er wußte, daß die reine Liebe einer Ehefrau die Sonne und die Luft war, die er brauchte. Von ihrer Gegenwart gebadet, in ihre Ausstrahlungen getaucht, hätte sich sein Geist in tiefen, ruhigen Gewässern angestaut und – frei von Freudschen Täuschungen – wie eine neue Konstellation in der Zukunft geglänzt.
Versonnene nonchalance ! Und er sagte mit belegter Stimme: »Es steht geschrieben: Ich werde niemals das Pantoffelglück des häuslichen Friedens genießen. Die Frau und die Pfeife! Die Zärtlichkeit und die Wissenschaft! Die treue Dogge … La vie parisienne!«
»Bah, bah, bah«, wollte der Student ihn aufmuntern. »Denken Sie kein dummes Zeug. Sie haben verschiedene Vorräte an fixen Ideen, die Sie fortwährend vorbringen. Schicken Sie sie zur Hölle! Sehen Sie nicht, daß sie Ihnen einen Knoten im Hals verursachen?«
»Oh, wenn ich das könnte!«
Daraufhin ereignete sich etwas Ungewöhnliches. Noch bevor seine jämmerliche Stimme verklang, kam es zu einem blitzartigen Willensumschwung: »Ja! Sie haben recht! Ich kann, ich will und ich werde es machen! Und ich werde weiterhin derselbe sein! Über alle Maße frei! Über alle Maße aufrecht! Über alle Maße rein!«
»Natürlich, Mann.«
Das Schweigen ließ sie davontreiben.
Sie gingen bereits über das mit Blumenbeeten umsäumte Grün, das den Abhang hinter der Plaza San Martín beherrschte, den Bahnhofsvorplatz und die leuchtenden Gärten von Puerto Nuevo.
Das Zyklopenauge des Englischen Turms schloß und öffnete sein Augenlid klangvoll.
03:15
Viertel nach drei. Auch er war ein Zyklop. Doch sein Begriffsvermögen war nun von dem Bestreben verdunkelt, die Türen nach innen zu schließen, um das Leben sich selbst entflohen zu genießen. Er kümmerte sich nicht um die Uhrzeit. Als er wieder in die Gegenwart seiner Freunde zurückkehrte, benetzte sich das Rund seiner Augen mit zufriedener Fröhlichkeit. Die Nacht strahlte einen ruhigen Zauber aus; denn die Nacht ist sinnlich und weiblich und gehört der Frau, während der Tag männlich ist
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