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Ritter des dunklen Rufes

Titel: Ritter des dunklen Rufes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Prolog
     
    Er war neun Jahre alt und schwankte zwischen Kummer und Freude, und er flog unter den Sternen über das in Mondschein getauchte Land. Es war ein Traum. Auch wenn er erst neun Jahre alt war, wusste er, dass Menschen nicht wirklich fliegen konnten. Und trotzdem, in diesem Moment war er, Traum oder nicht Traum, allein und frei.
    Niemand, der ihn züchtigte, weil er einen Honigkuchen gestohlen hatte, niemand, der ihn wegen eines übersehenen Fingerabdrucks auf dem Silber schlug, das er stundenlang geputzt hatte.
    Irgendwo – wenn er auch nicht genau wusste, wo – lag seine Mutter kalt und tot, und der Kummer darüber wühlte wie glühende Messer in seiner Seele. Doch wie Kinder es nun einmal können, verdrängte er seinen Schmerz und betrachtete die funkelnden Diamanten der Sterne. Sie schienen so nah zu sein, und er versuchte, weiter zu ihnen emporzusteigen. Doch sie blieben, kalt und glitzernd, stets außerhalb seiner Reichweite. Er verlangsamte seinen Flug und blickte hinab.
    Das Land der Gabala war jetzt so klein und die Welt so groß. Der Wald am Meer lag unter ihm wie ein Wolfsfell, die Berge wirkten nunmehr wie die Runzeln eines alten Mannes. Er sank tief, ließ sich fallen, wirbelte dem Boden entgegen und schrie vor Furcht auf, als die Berge, zerklüftet und drohend, ihm entgegenjagten. Sein schwindelnder Fall verlangsamte sich, und er begann wieder zu schweben. Auf dem Meer jenseits von Pertia konnte er die großen Trimeren mit ihren quadratischen Segeln erkennen, die Ruder eingezogen – und an Land die Lichter der Städte und Dörfer. Vier riesige Kohlebecken waren auf den Mauern der Festung Mactha entzündet worden und glitzerten wie Kerzen auf einem Kuchen. Er flog von den Lichtern fort zu den fernen Bergen.
    Er wünschte, er müsste nie mehr nach Hause, wünschte, er könnte für immer so weiterschweben, in Sicherheit vor den unzähligen Qualen der Sklaverei. Als seine Mutter noch lebte, hatte es jemanden gegeben, der sich um ihn sorgte, nicht um den Sklavenjungen, sondern um Lug, das Kind, Fleisch von ihrem Fleisch. Ihre Arme waren immer für ihn offen gewesen.
    Wieder überkamen ihn Kummer und Schmerz. Als sie krank wurde, hatte man Lug erzählt, sie brauche Ruhe … aber das hatte nicht geholfen. Sie hatten nach dem Heiler geschickt, Gwydion, doch der war weit weg in Furbolg. Lug hatte gesehen, wie die Züge seiner Mutter immer ausgezehrter wurden, hatte gesehen, wie sie von einer lebendigen, liebenden Frau zu einem skelettdünnen Wesen geworden war, dessen Augen ihn ohne Erkennen anblickten, dessen Arme nicht mehr die Kraft hatten, sich ihm zu öffnen.
    Und dann war sie gestorben – während er schlief. Er hatte ihr einen Gute-Nacht-Kuss gegeben und wurde in einen Raum gebracht, in dem er jetzt mit fünf anderen Jungen schlief. Am Morgen hatte er seine Arbeiten erledigt und war dann zu ihrem Zimmer gelaufen, um sie dort von einem Leinenlaken bedeckt vorzufinden. Er zog es von ihrem Gesicht. Die Augen waren geschlossen, der Mund geöffnet. Er konnte keine Spur von Atem oder Regung erkennen.
    Der ältere Haussklave Patricaeus hatte ihn dort gefunden und ihn in sein eigenes Zimmer getragen. Lug hatte den alten Mann zwar wahrgenommen, war jedoch nicht in der Lage, sich zu rühren. Er war starr vor Schock. Er spürte, wie er in Patricaeus’ Bett gepackt wurde, die warmen Decken um seine Schultern, aber er konnte nicht einmal die Augen schließen. Der alte Mann strich ihm über sein Gesicht und drückte sanft die Lider herab.
    Lug hatte lange geschlafen. Dann rastete etwas in ihm ein – und sein Geist war befreit in die Nacht geschwebt.
    Er schauderte, obwohl er keine Kälte verspürte, und wünschte, er könnte seine Mutter zurückholen. In diesem Moment wurde sein Blick von einer Bewegung weit unter ihm gefesselt. Eine Reihe von Reitern, neun an der Zahl, ritten hinaus in die Nacht, auf großen, weißen Pferden. Lug ließ sich fallen und sah, dass es Ritter waren, in silbernen Rüstungen und weißen Umhängen, die an den Sätteln befestigt waren. Sie zogen in einer Reihe über die Wiesen, weißer Nebel wogte wie ein geisterhaftes Meer um die Hufe der Pferde. Auf einem hohen Hügel sah Lug einen Mann, dessen Gesicht teilweise von der dunklen Kapuze seines Samtmantels verborgen war. Der Mann sang, doch der Junge verstand die Sprache nicht. Die Ritter saßen schweigend auf ihren Pferden, während der Nebel dichter wurde.
    Lug kam näher, umging den singenden Mann und ließ sich auf einem nahen

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