Operation Schneewolf - Meade, G: Operation Schneewolf - Snow Wolf
ihn zielte.
Kass schrie noch einmal, schlug die Hände vors Gesicht.
Der erste Schuß drang durch seine rechte Hand und trat hinter seinem linken Auge aus. Die Kugel zerriß die Netzhautund ließ ihn auf der Stelle erblinden. Als Kass vor Todesangst kreischte und weiter von der Motorhaube herunterrutschte, trat der Mann einen Schritt vor, lud ruhig die Waffe nach und hob sie an. Der Fangschuß explodierte in Kass’ Schädel und sprengte ein Loch in den Hinterkopf.
Kass war tot, bevor er auf den Boden schlug.
Zwei Tage später wurden die Leichen im Wald gefunden.
Von einem Freizeitjäger, wie Kass einer gewesen war. Allerdings ein Mann mit mehr Fortune, der nicht zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht war. Er übergab sich, als er den Leichnam des Kindes sah.
Ihr hübsches Gesicht war weiß gefroren. Das Fleisch um die Kopfwunde und am Hals war von Nagetieren zum Teil weggefressen.
Selbst für die abgebrühten Polizeibeamten des Luzerner Kriminalamtes war es einer der brutalsten Morde, den sie je gesehen hatten. Die Leiche eines ermordeten Kindes hat immer etwas besonders Mitleiderregendes an sich und zeugt von einer besonderen Brutalität. Die Obduktion und die pathologische Untersuchung ergaben, daß das Mädchen zwischen zehn und zwölf Jahren alt war. Man hatte sie nicht vergewaltigt, obwohl sie an Beinen, Armen, Brust und im Genitalbereich schwere Verletzungen hatte. Daraus schloß man, daß sie vor ihrer Hinrichtung grausam geschlagen und gefoltert worden war. Der Leichnam des Mannes wies ähnliche Spuren auf. Beide Leichen wurden im Kühlraum des Leichenschauhauses der Luzerner Polizei gelagert.
Der einzige Leichnam, der identifiziert werden konnte, war der von Manfred Kass. In seiner Brieftasche befanden sich ein Führerschein und ein Waffenschein für eine Schrotflinte. Außerdem trug er eine Armbanduhr mit einer Widmung: ›Für Manni, in Liebe, Hilda‹.
Die Polizei fand heraus, daß der Bäcker nach seiner Freitagnachtschicht zur Jagd gegangen und dabei zufällig Zeuge der Hinrichtung geworden war – und diesen Zufall mit dem Leben bezahlt hatte.
Die Polizei wußte nicht, weshalb der Mann und das Kindermordet worden waren; man kannte nicht einmal die Namen. Doch mit typischer Schweizer Gründlichkeit machten die Beamten sich daran, Antworten auf beide Fragen zu finden.
Flughäfen und Grenzposten wurden alarmiert – ein ziemlich fruchtloses Unterfangen, weil die Schweizer Polizei nicht wußte, nach wem sie suchen sollte; es gab keine Beschreibung des Mörders. Aufgrund der Fußabdrücke im Wald ging man jedoch davon aus, daß ein Mann den Mord allein begangen hatte. Dafür sprach auch, daß Kass und die beiden anderen Toten von denselben Kugeln aus einem Revolver Kaliber .38 getroffen worden waren. Waffen dieses Typs waren seit dem Krieg überall in Europa frei erhältlich.
Auf die Identität des Mörders gab es keinerlei Hinweise.
Einen Monat später hatten die Ermittler noch immer keine Spuren gefunden, die die beiden Ermordeten mit irgendwelchen Vermißten in Verbindung gebracht hätten. Beide hatten keinerlei persönliche Papiere bei sich gehabt, mit denen man sie hätte identifizieren können. Und ihre Kleidung konnte man in jedem größeren Bekleidungshaus in Europa kaufen. Das Kleid und die Unterwäsche des Mädchens stammten aus einem Kaufhaus in Paris; der Anzug des Mannes trug das Etikett eines sehr verbreiteten Herrenausstatters aus Deutschland. Die Leichen selbst lieferten nur einen einzigen Hinweis: eine schwache, winzige Tätowierung auf dem rechten Arm des Mannes. Es handelte sich um eine kleine, weiße Taube einige Zentimeter über seinem Handgelenk.
3. KAPITEL
Washington, D.C.
12. Dezember
Die DC-6 aus Tokio mit dem neugewählten Präsidenten Dwight D. Eisenhower an Bord landete um kurz nach zwanzig Uhr auf dem Luftwaffenstützpunkt Andrews in Washington.
Wenngleich Eisenhower die Zügel der Macht erst im Januar in die Hand nehmen konnte, war er einen Monat nach seiner Wahl nach Seoul geflogen, um sich ein persönliches Bild über die Lage im Fernen Osten zu machen, vom Stand des Krieges auf den schlammigen Schlachtfeldern von Korea.
Sein für den nächsten Tag anberaumtes Treffen mit Präsident Harry Truman war inoffiziell, und nach einer kurzen Begrüßung schlug Truman seinem Nachfolger vor, sich bei einem Spaziergang im Garten des Weißen Hauses zu unterhalten.
Es war frisch und klar, und der Boden war mit einem feuchten Teppich brauner und goldener Blätter
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