Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opfer fliegen 1. Klasse

Opfer fliegen 1. Klasse

Titel: Opfer fliegen 1. Klasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
Vom Netzwerk:
dem eleganten
Bungalow, den sie vor fünf Jahren gemietet hatten, schloß den Wagen ab und dann
die Haustür auf.
    Grinsend stellte er die
prallgefüllte Sporttasche an die Garderobe. 1,6 Millionen DM! Wahnsinn! Die
Kohle würde lange reichen. Endlich ein Leben in Freiheit und ohne diese
unmenschliche Schufterei einer 36-Stunden-Woche!

    Arbeit, dachte er, kann einem
wirklich den ganzen Tag versauen, selbst in gehobener Position. Da pfeif ich
doch drauf!
    Ein zärtlicher Blick galt der
Geldtasche. Die andere, die Aktentasche, wurde mit einem Tritt in Richtung
Kellertreppe befördert.
    „Liebling!“
    So rief er immer am Freitag
nach ihr. Von Montag bis Donnerstag pflegte er nur „Bettina!“ zu rufen. Auch
das würde sich jetzt ändern. Ja, sie würden mehr Zeit haben für einander — und
das in einem sonnigen Land.
    Sie antwortete aus dem
Wohnzimmer.
    „Hier, Schatz! Hier bin ich.“
    Nanu! dachte er. Freitags bin
ich doch immer „Schätzlein!“. Ist meiner Bettina eine Laus über die Leber
gelaufen?
    Sie saß in ihrem Fernsehsessel.
Das hübsche Gesicht war bleich. Bettina Ebert, 40, schlank und eher klein,
hatte braunes Langhaar mit Mittelscheitel und rehbraune Augen, die sie
blickmäßig je nach Gemütslage einsetzen konnte: mal keß, mal verträumt, mal
durchtrieben, sanft oder frech.
    Jetzt blickte sie Ebert auf
eine Weise an, die er noch nicht an ihr kannte — trotz zwölfjähriger Ehe.
    „Ist was, Liebling?“
    Unter seinem Schulterblatt
bohrte sich eine Spitze durch das Sommerjackett. Ein kräftiger Arm umschlang
hinterrücks Eberts Hals.
    „Was dich da kitzelt, Mann“,
sagte der Kerl hinter ihm, „ist ein Messer. Verhalt dich ruhig! Sonst mache ich
dich kalt. Verstanden?!“
    Ebert rührte sich nicht. Sein
Blut sackte ab in die Füße. Statt des Blutes stieg eisiger Schreck in ihm auf,
Überfall! Ja, das war offenbar ein Überfall. Aber wieso? Warum ausgerechnet
hier? Und am Nachmittag! Unglaublich!
    Durch die Tür hinter Bettina
kam ein großer Kerl. Er maß ungefähr 1,98 m, war hager und hatte ein bleiches,
böses Gesicht mit scharfer Nase. Eckhart Diepholz, genannt Fischhaut, war 39
Jahre alt.
    Ebert begriff. Die Ausbrecher!
Er hatte die Nachricht im Radio gehört und erinnerte sich an die Personenbeschreibung.
Wollten die sich hier verstecken? Um Himmels willen!
    „Kannst ihn loslassen, Bosko“,
sagte der Große. „Der Pinkel riskiert nichts.“
    Ebert erhielt einen Stoß und
stolperte vorwärts.
    „Damit du Bescheid weißt,
Ebert“, sagte Diepholz, der Große. „Wir sind aus Sassvest getürmt. Ich gehöre
zu den Lebenslänglichen. Müller hat noch zwölf Jahre abzureißen. Ich will damit
sagen: Wir haben nichts zu verlieren. Also richte dich danach!“
    Ebert nickte.
    Die Tasche! dachte er. Um
Himmels willen! Wenn sie auf die aufmerksam werden, ist alles aus. Vorbei.
Finito. Dann kann ich mir die Kugel geben. Und Tine kommt auch nicht viel
besser weg.
    „Im Augenblick wimmelt hier die
Gegend von Bullen“, kaute Diepholz durch die Zähne. „Die checken offenbar, daß
wir noch nicht bis zur Stadtmitte vorgedrungen sind. Wollen wir auch gar nicht,
hähäh! Wir bleiben hier. Bis die Luft rein ist. Kapiert? Das kann morgen sein,
Sonntag oder Montag oder Pflaumenpfingsten.“
    „Ja, verstehe.“ Eberts Stimme
wackelte. Ihm war kalter Schweiß ausgebrochen; und sein Blick —
bedeutungsschwer wie eine astrologische Katastrophen-Prophezeiung — war auf
Bettina gerichtet.
    „Schön, daß du das verstehst.“
Diepholz grinste.
    Bettina raffte ihren Mut
zusammen, wie ein tiefer Atemzug verriet. „Und... was wird mit uns?“
    „Euch sperren wir in den
Keller, Süße.“
    „Aber... der ist feucht.“
    „Ihr werdet das schon
aushalten. Ist ja nur für ein paar Tage. Wenn du eine Rheumadecke hast, darfst
du sie mitnehmen.“
    Bettina hatte weder Rheuma noch
eine entsprechende Decke. Aber die Frau fürchtete sich vor Spinnen, Dunkelheit
und Modergeruch. Freiwillig würde sie im Keller niemals übernachten.
    Bosko Müller war ein
vierschrötiger Kerl, 41, mit semmelblonder Stoppelfrisur und bockwurst-artigen
Lippen. Wenn er grinste, konnte einem übel werden.
    „Los, los!“ meinte er. „Ab in
den Keller! Wir wollen uns entspannen und nicht euretwegen Wache schieben.“
    Die Eberts wurden die
Kellertreppe hinuntergetrieben. Einer der — keineswegs muffigen — Räume erwies
sich wie geschaffen zum Kerker: mit vergittertem Fenster und schwerer Tür.
    Müller schloß von außen ab. Und
das

Weitere Kostenlose Bücher