Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
beschädigt. Aber vom Zaun bis zum Wasser, da haben wir noch deutliche Schleifspuren gefunden. Hautabrieb – sicher vom Opfer. Ansonsten Fehlanzeige: keine Fasern außer einem Fussel, der offenbar von den Fesselungen stammt – ich habe bereits mit Hinrich gesprochen.«
Horndeich kannte die Stelle gut. Ein paar Jahre zuvor hatte er sich mit einem Verdächtigen eine Verfolgungsjagd geliefert. Der Typ war mit einem Vespa-Dreirad quer durch die Stadt geheizt und genau an derselben Stelle in den Woog gerauscht, wobei er den Zaun durchbrochen hatte. Kurz danach war der Zaun erneuert worden. »Und der Zaun weist keine Spuren auf?«
»Nein. Nichts.«
»Aber jemand muss Sacher ja über den Zaun gehievt haben. Vielleicht sollten wir Arnold Schwarzenegger verhören. Der könnte ihn vielleicht einfach über den Zaun gehoben haben.«
»Klar. Möglich. Aber die Büsche zwischen Zaun und Weg sprechen eine andere Sprache. Da gibt es ganz deutliche Spuren, dass jemand mit einem Wagen neben den Zaun gefahren ist. Ich denke, der Täter hat einen Pritschenwagen gehabt. Vielleicht einen Kipper, mit dem er die Ladefläche zur Seite kippen konnte. Er ist mit dem Teil einfach nah genug an den Zaun herangefahren, hat die seitliche Bordwand aufgeklappt und das Opfer über den Zaun geschoben. Oder die edle Variante: Er kippt die komplette Lade zur Seite, und Sacher purzelt jenseits des Zauns in die Büsche. Dann hat der Täter den Wagen weggefahren, irgendwo in der Nähe abgestellt. Er kam zu Fuß zurück, um den Körper ins Wasser zu zerren. Ich nehme fast an, er hatte einen Plastikanzug an, um Spuren zu vermeiden. Diese Theorie passt zumindest zum Spurenbild. Das Opfer hat wohl zuerst wirklich längs zum Zaun gelegen, bevor es zum Wasser gezerrt wurde.«
»Kann man von den Spuren auf das Auto schließen?«
»Vergiss es. Die beiden Gewitter am Samstag und Sonntag haben die Spurensuche nicht eben einfach gemacht. Wir sind froh, dass wir überhaupt entdeckt haben, dass da ein Wagen gewesen sein muss.«
»Ein Pritschenwagen. Oder sogar ein Kipplaster? Wo bekommt man den so was her? Oder ist unser Mörder ein Bauunternehmer?«
»Da werdet ihr wohl die Verleihfirmen abtelefonieren müssen.«
»Habt ihr noch was rausgefunden?«
»Nein, nicht wirklich. Wir haben einen Pflanzenexperten vom LKA angefordert – der schaut sich die Beschädigungen an den Büschen zwischen Zaun und Ufer und auch die zwischen dem Zaun und dem Fußweg an. Aber ich bin ziemlich sicher, dass auch der sagen wird, dass die Nacht von Freitag auf Samstag als Zeitpunkt ziemlich wahrscheinlich ist.«
»Haben die Taucher noch was gefunden?«
»Nein, rein gar nichts. Also, sie haben die Stelle identifiziert, an der die Leiche eine Weile gelegen hat. Aber ansonsten – nichts. Keine Kleidungsstücke, keine Gegenstände. Abgesehen von den zwei Fahrradtorsos, dem Metallregal und dem Computermonitor. Das waren nur die großen Gegenstände. Ist eine regelrechte Müllhalde dort unten. Aber nichts, was irgendwie mit Emil Sacher in Verbindung steht. Das Zeug liegt dort schon deutlich länger.«
»Dann sehen wir jetzt schon ein bisschen klarer«, sagte Margot.
Sie sah auf die Uhr. »In einer knappen Stunde kommt Angelika Sacher. Ich denke, sie ist uns ein paar Antworten schuldig.«
Die Uni in Darmstadt war über viele Standorte in der ganzen Stadt verteilt. Horndeich hatte sich extra einen Plan der Institute an der Lichtwiese im Südosten der Stadt ausgedruckt.Wenig hilfreich war, dass fast alle die Adresse »Petersenstraße« hatten. Das war die große Zufahrtsstraße, die gleichzeitig am Stichende eine große Schleife von fast einem halben Kilometer Länge aufwies. Dann kamen noch die Stichstraßen hinzu, die von der Straße abgingen und auch alle den gleichen Straßennamen hatten. Ein Albtraum für Paketboten und Kriminalhauptkommissare.
Mit viel Geduld fand er den Eingang des Fachbereichs Fahrzeugtechnik. Und wünschte sich sogleich ein Navi für das Labyrinth im Inneren. Nach dem unnützen Hinauf- und Hinabsteigen von gefühlten zwölf Stockwerken fand er schließlich das Büro von Dr. Gerhard Weller.
Margot war im Büro geblieben und fütterte die Computer mit Berichten, bevor Angelika Sacher ins Präsidium kommen würde. Bis vor wenigen Minuten war Horndeich noch dankbar gewesen, dass er einen Außeneinsatz hatte.
Horndeich klopfte an die Tür.
»Herein«, tönte eine Bassstimme von der anderen Seite.
Horndeich trat ein.
»Dr. Weller?«
Der Mann nickte.
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