Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Horndeich? Er hatte doch nur den Uni-Typen befragen wollen.
In diesem Moment klopfte es an die Tür des Vernehmungsraums. Noch bevor Margot »Herein« sagen konnte, ging die Tür bereits auf. Horndeich.
»Sorry, könntest du gerade mal kurz?«
»Entschuldigung, bin gleich wieder da«, sagte Margot und erhob sich. Im Flur meinte sie zu Horndeich: »Erstens: Warum bist du erst jetzt da? Und zweitens: Warum unterbrichst du die Vernehmung?«
»Erstens: weil ich noch etwas überprüft habe. Und zweitens: weil du mir gleich dankbar dafür sein wirst.«
Horndeich führte Margot in ihr Büro. »Setz dich.«
Margot tat, wie ihr geheißen. Horndeich klickte mit der Maus, und auf Margots Monitor kam Bewegung in ein Video. Es zeigte einen Überfall auf eine Tankstelle.
»Und?«, fragte Margot.
Horndeich wartete noch ein paar Sekunden. Dann drückte er den Pause-Button. »Hier«, sagte er und zeigte auf einen der Männer. »Den kennen wir, oder?«
»Wer soll das sein?«
»Hallo? Wohin schaust du eigentlich bei Männern, wenn sie dir gegenübersitzen?«
Margot sagte nichts, und Horndeich zeigte auf die Schuhe des Räubers. »Freitagabend. Tankstelle in Lorsch. 22.45 Uhr. Die machen einen Überfall. Und der Typ da – das ist Bruno Sacher.«
Horndeich klopfte jetzt auf die Stelle, wo man die hellen Stiefel eines der Täter sehen konnte.
»Das soll ein Beweis sein?«
Horndeich grinste. »Das ist nur ein starkes Indiz. Schau, jetzt kommt die lustige Szene.« Einer der drei jungen Männer ging durch den Raum und sprühte Farbe auf die Überwachungskameras. Dabei überging er aber die, von der aus der Film gedreht worden war.
»Zu blöd. Eine Kamera haben sie übersehen. Und jetzt kommt der interessante Teil.«
Die Räuber überfielen den Tankwart hinter dem Tresen, ließen sich das Geld geben. Und bereits im Hinausgehen zog einer der Räuber die Maske vom Gesicht. Jetzt erkannte es auch Margot: Der Mann mit den hellen Stiefeln war Bruno Sacher. Er überfiel mit ein paar Kumpanen eine Tankstelle in Lorsch, während er angeblich mit seiner Mama Herr der Ringe geschaut hatte.
»Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wer eigentlich wem ein Alibi gibt – der Junge der Mutter oder umgekehrt. Denn der junge Mann wirkte ziemlich angespannt, als wir aufgetaucht sind. Erst nachdem er die DVD-Geschichte kundgetan hatte, wurde er ruhiger. Also habe ich mir mal die Reports der Kollegen für den Freitagabend angeschaut. Und – bingo.«
»Sauber. Gut gemacht. Und was machen wir jetzt damit?«
»Frau Sacher hat das Alibi ihres Sohnes ja dankend angenommen. Ich finde, du solltest ihr jetzt noch etwas Druck machen – und dann schauen wir mal, was sich entwickelt. Ich denke, wir sollten sie erst mal vierundzwanzig Stunden beschatten, bevor wir ihr sagen, dass das Alibi geplatzt ist.«
»Wieso das?«
»Ich glaube nicht, dass diese zierliche Frau ihren Mann ohne Hilfe so zugerichtet hat und ihn allein am Woog versenken konnte. Wenn sie was damit zu tun hat, muss es einen Komplizen geben. Und zu dem führt sie uns dann vielleicht stante pede.«
»Haben die Kollegen den Junior schon einkassiert?«
»Nein. Ich habe sie gebeten, uns noch ein paar Stunden Zeit zu geben. Die waren dankbar, dass ich den jungen Mann identifizieren konnte. Hast du das Alibi von Weller schon gecheckt und diesen Freund in Kassel angerufen?«
»Dem habe ich auf die Mailbox gesprochen, ich hoffe, er ruft bald zurück.« Margot wandte sich ab: »Gut, ich gehe dann jetzt wieder zu Frau Sacher zurück.«
Horndeich hatte sich auf einen entspannten Abend mit seiner Frau gefreut. Aber natürlich war niemand greifbar gewesen, der die Überwachung von Angelika Sacher hätte übernehmen können. Also mussten Margot und er selbst ran. Im Moment saßen sie in Margots Mini unweit des Hauses, in dem Angelika Sacher und ihr Sohn wohnten.
»Wenn die Lichter ausgehen, dann fahren wir«, grummelte Horndeich. Inzwischen hielt er es nicht mehr für eine so gute Idee, der Frau des Opfers hinterherzuspionieren. Sicher, ihr Alibi war Müll. Aber warum sollte sie sich gerade jetzt mit ihrem Komplizen treffen? Es gab keinen Grund dafür. Horndeich ärgerte sich über sich selbst, wollte nach Hause, hatte keine Lust, sich die Nacht im Auto um die Ohren zu schlagen. Wahrscheinlich würde sich Angelika Sacher jetzt ganz entspannt ein oder zwei Gläser Wein genehmigen, einen Film gucken und um elf ins Bett gehen. Besser noch um zehn. Horndeich sah auf die Uhr. Kurz nach neun. Die
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