Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
meinem Leben. Und in Paulas Leben. Es dauerte …«
»Stopp, Kaufmann. Es langt. Sparen Sie sich die Details. Mir ist schon schlecht genug.« Und das war wörtlich zu nehmen. Margot hatte nicht viel im Magen, aber das, was drin war, wollte raus. So abgedreht Paula Trizzi alias Judith Reichenberg auch sein mochte, doch wenn sie für diese Morde verantwortlich war, dann konnte ein Teil in Margot das sehr gut verstehen. Nicht billigen, nein, der größere Teil in ihr glaubte noch an den Rechtsstaat, an die Justiz als einzige Gewalt ausübende Institution. Aber das Bild von Paula Trizzi auf dem Tisch stand so klar vor ihren Augen. Besonders in diesem Moment, da sie hier unten kaum etwas sah. Kaufmann war ein Schatten vor Schatten. Und der Tisch war so real, wie er bei Tageslicht nie hätte sein können. »Wie kam Paula frei?«
»Wir waren sicher zwei, drei Stunden in der Höhle. Dann sind wir raus – völlig betrunken, die Flaschen waren leer, und wir waren voll. Wir ließen Paula, wo sie war. Wussten nicht, was wir machen sollten. Richard heulte. Ich heulte. Aber Till brachte uns auf Kurs: Wenn uns Paula Trizzi verraten würde, dann würden wir in den Knast gehen. Ohne Wenn und Aber. Jugendstrafe hin, Jugendstrafe her. Ich nahm noch mein Rad, die anderen waren zu Fuß gekommen. So torkelten wir in Richtung Internat und debattierten wirres Zeug. Es ging darum, ob wir sie töten würden oder nicht. Aber keiner von uns hätte es getan, denn dann hätte es drei gegeben, die den Vierten hätten verraten können. Wir dachten noch daran, es zu viert zu tun – aber ich wusste, dass ich das nicht bringen würde.
Also beschlossen wir, am nächsten Morgen wieder in die Höhle zu gehen und Paula richtig Angst zu machen. Wenn sie auch nur einen Mucks von sich geben würde, wäre sie tot. Und man könnte nie alle vier von uns gleichzeitig abgreifen, wollten wir ihr klarmachen. Einer wäre immer übrig, um sie zu töten, wenn sie uns verraten würde.
Aber es kam alles ganz anders.«
»Die Klassenfahrt.«
»Die war ja erst am Montag. Aber unsere nächtliche Eskapade blieb nicht unbemerkt. Als wir sternhagelvoll versuchten, uns heimlich ins Internat zu schleichen, flogen wir auf. Und es gab im Internat ›den Keller‹, wie wir den Raum nannten. Einen Kellerraum, wie eine Kerkerzelle. Und für die richtig dollen Vergehen landete man da. Durchaus einen Tag lang. Sie packten uns noch am Samstagabend in den Keller. Da war ein Klo. Und wir bekamen Wasser. Und wurden vor die Aussicht gestellt, am Sonntagabend wieder rauszukommen, wenn wir ausgenüchtert sein würden.«
»Damit konnten Sie Paula nicht befreien.«
»Richtig. Bis Sonntagmittag war uns das herzlich egal, denn wir bekamen kein Aspirin. Und jedem von uns war so schlecht wie noch nie in seinem Leben. Aber am Nachmittag konnten wir einigermaßen klar denken. Und wussten, dass wir in der Nacht rausmussten, um Paula zu befreien. Sie war mit einem Bein an den Tisch gefesselt. Sie konnte sich bewegen, es gab auch noch eine Flasche mit einem halben Liter Wasser in der Höhle. Aber sie konnte unmöglich allein nach oben. Und den Schlüssel für die Fußfessel, den hatte Till in seiner Hosentasche.
Als sie uns endlich aus dem Keller ließen, ging es direkt zu Picht. Er verkündete, wir hätten jetzt zwanzig Minuten, unsere Siebensachen für die Klassenfahrt zu packen. Dann würden wir die Nacht wieder im Kerker verbringen. Auf dass wir uns das überlegen würden, noch mal so zu saufen. Jetzt war Panik angesagt. Picht dachte, seine Erziehungsmaßnahmen wären zielführend, weil wir alle so entsetzt waren. Ich war kurz davor, alles zu beichten. Da sagte Till, er müsse aber unbedingt seinen Bruder anrufen. Das durfte er. Und er erzählte seinem Bruder, was Sache war. Ich konnte einen Teil des Gesprächs hören. Ich traute meinen Ohren nicht, wie offen er mit ihm sprach. Ich dachte, Till wäre jetzt komplett durchgedreht. Aber er kam aus dem Zimmer und grinste breit.
Wir packten unsere Sachen und zogen wieder in den Kerker ein.«
»Till Hansens Bruder? Jonne Hansen?«
»Oh, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht.«
Margot erinnerte sich gut an das Gespräch in Hamburg, mit Blick auf Hafencity und Elbphilharmonie. ›Aber wir waren füreinander da, er für mich und ich für ihn. Und wenn einer Mist baute, dann hat ihm der andere den Arsch gerettet.‹ So hatte Jonne das Verhältnis zu seinem Bruder beschrieben. Margot hätte nicht gedacht, dass es so weit ging.
»Jonne stand in
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