Opfergrube: Kriminalroman (Darmstadt-Krimis) (German Edition)
Geschichte mit Ruth Steiner klinkte ich mich ein wenig aus. Ich nutzte mein Fahrrad. Und fuhr auch mal allein herum. Landete immer wieder in Reichelsheim. Auch Ruth war da. Aber vor allem Paula. Ich ging mit ihr ein paarmal Eis essen. Und spazieren. Sie konnte so interessante Dinge erzählen. Zum Beispiel, dass sie in Hamburg geboren worden war. Und zwar in dem Haus, neben dem im Moment ihrer Geburt die RAF-Terroristin Petra Schelm erschossen worden war. Sie war gerade auf der Welt, da traf ein Querschläger der Maschinenpistole ihren Onkel, der wegen des Lärms aus dem Fenster geschaut hatte. Das sei damals aber von der Polizei vertuscht worden, weil die Kugel aus der Waffe eines Polizisten stammte.«
Margot lächelte. »Uns hat sie erzählt, sie wäre in München während des Palästinenserattentats geboren.«
»Pseudologie. Krankhaftes Lügen. Ich hatte einen Schüler, der das Problem hatte. Habe oft an Paulas Geschichten denken müssen, als ich mich mit ihm und der Krankheit, oder wie immer man das nennen will, auseinandergesetzt habe. Aber damals, da habe ich Paula alles geglaubt.«
»Sie haben sich also vom Quartett abgeseilt?«
»Ja und nein. Natürlich fragten mich die anderen, wo ich wäre, was ich machte, Till wurde immer wieder massiv, wir wären doch die Fraternitas leonum lucis, was das denn solle, dass ich jetzt immer abhaute und niemandem sagte, was los wäre. Dann machte ich an besagtem Samstag einen Riesenfehler. Ich war mit Paula Eis essen. Und danach wollte ich sie meinen Freunden vorstellen. Wollte das Leben mit Freundin und meinen Freunden unter einen Hut bringen. Nun, mit siebzehn hat man einige Erfahrungen noch nicht gemacht und weiß daher nicht, dass das nicht funktioniert.
Paula und ich fuhren auf den Rädern in Richtung unserer Höhle. Wir hatten zuvor schon immer mal ein bisschen geknutscht. Und ich wollte, dass meine Freunde sie kennenlernten. Vor den Ferien. Und bevor Till und Richard vielleicht nicht mehr auf der Schule wären. Es war eisernes Gesetz, die Räder an einer Stelle mehr als hundertfünfzig Meter vom Höhleneingang abzustellen, damit der Höhle niemand zu nah kommen könnte. Dann führte ich Paula in unsere Höhle.
Die drei anderen schauten nicht schlecht. Besonders Till. Ich sah, dass er etwas Feines dabeihatte: Er war der, der immer den Alkohol geklaut hat. Mal eine Flasche Wein, mal ein paar Dosen Bier. An dem Tag hatte er zwei Flaschen Whiskey dabei. Und die drei hatten schon eine halbe Flasche geleert.
›Wen hast du denn da mitgebracht?‹, hat Till gefragt.
›Eine Hexe!‹, rief Emil und kam sofort auf Paula zu.
›Ja, ich bin eine Hexe!‹, sagte Paula – und hatte keine Ahnung, was sie da von sich gab. ›Ich stamme direkt von der letzten in Europa verbrannten Hexe ab. Anna Göldi.‹«
Auch der Text kam Margot bekannt vor.
Kaufmann fuhr fort: »›Trink!‹, sagte Till und reichte Paula den Whiskey. Und sie trank. Ich war hin- und hergerissen. Offenbar mochten meine Kumpels das Mädchen. Und doch spürte ich jetzt auch die Gefahr, in der sie sich befand. Als wir Ruth getroffen hatten, da hatte es nur eines Blickes unter uns bedurft, und das wilde Tier war frei. Und nun erzählte Paula auch noch so einen Quatsch.
›Du stammst doch nicht von einer Hexe ab‹, sagte ich.
›Und ob!‹, widersprach sie.
Da machte ich den zweiten Fehler an diesem Tag. Ich trank zu schnell zu viel.
›Wir müssen das Hexenmal finden!‹, rief Till plötzlich.
Emil und Till sprangen zu ihr. Richard war sofort dabei und hielt sie fest. So ruhig er normalerweise war, wenn er was getrunken hatte, dann konnte er sehr schnell sehr aggressiv werden. Das war der Moment, in dem alles kippte. Emil und Richard packten Paula, legten sie auf den Tisch und schoben ihr das Kleid hoch. Rissen ihr den BH vom Köper.
›Da ist es!‹, schrie Till und zeigte auf ein Muttermal, das sie auf dem Bauch hatte, gleich neben dem Bauchnabel. ›Wir haben jetzt die Chance, die Reinheit zu erlangen. Wir werden die Hexe bekehren.‹
Richard hielt ihr den Mund zu, und Emil hatte inzwischen ihr Bein an den Tisch gekettet.
Dann ließ Richard ihren Mund los. Und Paula schrie. Nur konnte sie dort unten außer uns absolut niemand hören. Till grinste und war der Erste, der die Hosen runterließ.
Ich stand immer noch abseits. Und ich hatte noch nie eine nackte Frau gesehen. Ein Playboy mit retuschierten Bildchen, das war das höchste der Gefühle. Das, was dann folgte, war wohl die dunkelste Stunde in
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