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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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waren höchsten fünf, ach, drei, allerhöchstens. Wo ist das Schwein mit ihm hin?«
    »Jetzt mal langsam!« Eva versuchte ihr Gehirn anzuschalten. »Kein zweiter Ausgang, zur Haustür sind sie nicht raus, sagst du, was ist mit dem Balkon? Vielleicht spielen sie Verstecken mit uns?«
    »Wohl kaum …«
    Eva lief zurück in den Salon und durch die Flügeltür hinaus, aber natürlich hockten Emil und Konrad nicht eng an die Mauer gepresst auf dem schmalen, an das Haus geklebten Stück Stein, dessen Geländer mit hängenden Weihrauchpflanzen aus zwei Balkonkästen überwuchert war.
    Obwohl die Vorstellung schrecklich war, schaute sie hinunter auf die Straße. Kein Emil unter ihr auf dem Pflaster. Sie sah auf die dunkelgrüne Tonne hinunter, die vor dem Haus gegenüber stand. Sie war ungefähr so groß wie eine Litfaßsäule und auch so hoch. Plötzlich öffnete sie sich, heraus trat ein Mann, der sich noch dezent am Hosen stall fummelte und dabei zufällig nach oben, direkt in ihre Augen starrte. Wie ertappt schaute er weg, schloss dann die Tür hinter sich und lief die Straße hinunter.
    »Eine Tür!«, rief sie, als sie Georg versteinert im Flur neben der Toilette traf. »Es muss eine Tür geben, die wir nicht als solche erkennen!« In Georgs Gesicht waren zwei Falten zwischen den Augen aufgetaucht, die sie lange nicht mehr gesehen hatte. Seine schlimmsten Albträume mussten sich so anfühlen, sie stieß ihn an und lief noch mal Richtung Schlafzimmer, in das sie gerade schon hineingeschaut hatten. »Du nimmst das Arbeitszimmer«, kommandierte sie, aber Georg rannte schon an ihr vorbei in den hinteren Teil der Wohnung.
    Im Schlafzimmer stand ein großes Doppelbett auf graubraunem Teppichboden, akkurat bedeckt von einer Tagesdecke in demselben Graubraun, weiße Kissen darauf, eine mit weißem Stoff überzogene Bank vor dem Bett, ansonsten war der Raum bis auf einen eingebauten Kleiderschrank mit matten Glasschiebetüren leer. Sie suchte die Wände ab. Da! Neben dem Bett verborgen, im dezenten Muster der Tapete, sah man ganz schwach die vertikalen Linien einer Tür. Sie stürzte darauf zu und öffnete sie. Nichts, nur ein dunkles Kabuff als Vorraum und dann eine wesentlich stabilere Tür, mit rotem Leder gepolstert, von Nietnägeln festgehalten.
    »Georg!«, rief sie. Sekunden später war er dicht hinter ihr. »Ich bringe ihn um!«
    »Ich helfe dir dabei!« Als sie die zweite Tür öffneten, waren sie kurz von der hellen Leinwand geblendet, dann sahen und hörten sie sie: Milena.

 
    22
    »Weißt du eigentlich, warum Apulien Apulien heißt?«, fragte Emil.
    »Keine Ahnung!« Eva war das erste Mal seit Tagen ausgeschlafen, in ihrem Kopf hämmerte kein Kater, und die letzte SMS von Jannis in ihrem Handy hatte nur zwei Worte, ließ sie aber erleichtert lächeln. Ti odio! Dahinter ein Smiley. Ich hasse dich. Sie sah sein blondes Haar vor sich, das ihm in die Stirn hing, seine tiefblauen Augen und natürlich seine Lippen, immer bereit zu lachen und zu küssen. »Du Schöne«, hatte er am Telefon gesagt, »ich muss dich unbe dingt noch sehen! Bevor ihr fahrt!«
    »Wir sind schon unterwegs …«, hatte sie ihm kleinlaut gestanden, und dass sie ihn eigentlich nur angerufen habe, weil sie etwas über Elio habe wissen wollen. Mit »Ich melde mich. Kuss zurück« hatte sie das Gespräch schließlich beendet.
    Vor ihr auf dem Fahrersitz saß Georg. Seit der Nacht mit Jannis gab er sich mehr Mühe, ihr zu gefallen. Es kam ihr wenigstens so vor.
    »Es heißt Apulien, weil man da ampuliegen kann!« Emil warf sich zurück an die Rückenlehne und wollte sich vor Lachen ausschütten.
    »Am Pool liegen, super. Wer hat sich das denn ausgedacht?«
    »Ich! Am Trullo darf ich sofort in den Trichter, oder, Papa?«
    »Wir fahren zunächst mal ins Hotel, da gibt es ja auch einen Pool, dann sehen wir weiter«, antwortete Georg. »Vielleicht ist auch gar kein Wasser im Trichter.«
    Eva versuchte Georgs Blick im Rückspiegel zu erwischen. Hatten sie nicht besprochen, Emil gar nicht mit zum Trullo zu nehmen? Doch Georg schaute stur auf die Straße.
    »Was ist denn der Trichter, mein Gott?«, fragte Helga, die seit Rom in meditatives Schweigen verfallen war.
    Ach, Helga, dachte Eva, du bist uns erhalten geblieben! Sie war darüber gar nicht so unglücklich. Helgas arrogant-lässige Sichtweise auf das Leben würde mir fehlen, hatte sie zu Georg gesagt, als der ihr die spontane Entscheidung seiner Mutter zehn Minuten vor der Abfahrt aus Rom

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