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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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mitteilte.
    »Den Trichter hat Milena bauen lassen«, erklärte Eva und beugte sich zu Helga nach vorn. Natürlich thronte die Dame wieder im Lotussitz vorn neben Georg, aber das gönnte sie ihr mittlerweile.
    »Sie wollte ein Natursteinbecken anlegen, ein gepflegter, quadratischer Pool sollte in den Felsen gehauen werden, das war ihr Traum.«
    »Ich wollte das ja nicht«, warf Georg ein, »ich brauchte keinen Pool, mir hätten unsere Außendusche und das Plansch- becken gereicht. Ich hatte Angst um Emil.«
    »Und Mimmo warnte uns auch gleich, es sei eine höllische Arbeit und furchtbar laut, und vielleicht sollte man das Becken besser im Herbst aus dem Felsen stemmen, wenn wir nicht da seien.«
    »Aber Milena hatte sich ihren Pool für diesen Sommer in den Kopf gesetzt. Wir zäunen ihn ein, solange Emil klein ist, beruhigte sie mich.«
    Eva zögerte. Allein durch das Erzählen kamen die Erinnerungen wieder hoch, bunt und unvergesslich. Sie konnte die klare Luft, die die Tramontana über die Berge Albaniens brachte, förmlich riechen. Wie würde es ohne Milli da unten sein?
    »Mimmo wurde von ihr mit einer übertriebenen Summe überredet«, fuhr sie weiter fort, »was aber nicht nötig gewesen wäre, er war ihr sowieso hörig. Sie hätte sich auch eine Moschee neben den Trulli wünschen können oder eine Raketenabschussrampe, die hätte er ihr auch gebaut …«
    »Und dann kam eines Morgens der Bagger!«, sagte Georg mit Unheil verkündender Stimme.
    »Er war rot und eigentlich total winzig, weißt du noch? Hatte dafür aber einen Presslufthammer an der Spitze, der wie ein dicker silberner Stift aussah. Nach den ersten fünf Minuten war klar, Mimmo hatte den Sachverhalt ausnahmsweise einmal nicht verzerrt dargestellt. Wir haben in Windeseile unsere Badesachen zusammengerafft, um von dem wahnsinnigen Krach wegzukommen.«
    »Emil futterte noch schnell ein paar Aaseln …« Georg blinzelte Emil zu, dessen Ohren ausnahmsweise nicht mit Kopfhörern versiegelt waren. »Wir wollten gerade ins Auto steigen, mit dir zum Strand abhauen und frühestens abends um sieben wiederkommen, als sich plötzlich unter dem Bagger die Erde öffnete!«
    »Das ganze Ding kippte in einen höhlenartigen Trichter und hing völlig verkantet darin. Das sei die Murgia, kom mentierte Mimmo, spuckte dann aber immerhin seinen Stum pen aus.«
    »Was ist die Murdschia denn?«, fragte Emil.
    »Eine Schicht aus Kalkgestein, die auf der Höhe bei Bari anfängt und sich durch ganz Apulien zieht«, erklärte Eva. »Verdammt hart, aber auch mit vielen Einschlüssen und Höhlen darin. Wir haben auf dem Bauch liegend in den Abgrund geschaut, der sich dunkel und scheinbar bodenlos vor uns auftat. ›Vielleicht haben wir eine weitere Grotte ent deckt, wie die berühmte Höhle in Castellana‹, lachte Mimmo, schon wieder mit einer neuen Zigarre im Mund.
    ›Bloß nicht!‹, hat Milena gesagt. ›Dann kommen sofort die ganzen Touristen, und wir müssen drei Parkplätze, zehn Andenkenläden, sieben Bars und mindestens fünf Pommesbuden auf unserem Grundstück eröffnen.‹«
    Georg fuhr seit ein paar Kilometern hinter einem alten Fiat Cinquecento her, der mit höchstens sechzig Stundenkilometern vor ihnen herzockelte.
    »Oh, schade, warum habt ihr das nicht gemacht, dann hätte ich immer Pommes essen können!« Emil lächelte verträumt, und Eva hätte ihn am liebsten geküsst, so schön sah er in diesem Moment aus.
    »Eine Stunde später kam Tommaso mit seinem Wasserlaster, einer Seilwinde und ein paar Kumpels vorbei. Mithilfe von Mimmos Jeep haben sie den Bagger wieder herausbekommen.« Endlich überholte er den Cinquecento.
    »Als wir abends wiederkamen, war der Bagger schon raus aus dem Loch und der Rest der Höhlendecke eingedrückt. Die Höhle war dann doch recht klein, aber die Deckenschicht war nur dreißig Zentimeter dick gewesen, wir sind die ganze Zeit drübergelaufen, ohne es zu wissen.«
    »Auf diese Weise wurde aus dem ersehnten Natursteinbecken eine unregelmäßig ausgebuchtete Vertiefung im felsigen Boden, am tiefsten Punkt drei Meter, oben breit, unten schmal, wie ein Trichter. Mimmos Maurer glättete die buckeligen Wände mit Beton und goss ein paar Stufen in eine Holzverschalung, damit man auch wieder rauskommt. Tommaso kam dreimal mit dem Wasserlaster und ließ dreitausend Liter in die ehemalige Höhle fließen.« Eva seufzte tief, bevor sie weiterreden konnte.
    »Doch Milena weigerte sich. ›Ich kann nicht in dieses unheimliche schwarze Loch

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