Orangenmond
Die DNA an den Bügeln würde André in seinem Labor zur Auswertung reichen.
»Ich habe hier in Rom oft an Milena denken müssen. An eure Freundschaft, an die vielen Dinge, die ich von ihr nicht weiß.« Konrad biss von einem Hörnchen ab, das halb gegessen aus einer Zellophanverpackung hing, und legte es wieder neben den Herd auf die spiegelnde Marmorfläche. Eva musste sich zurückhalten, um es nicht sofort an sich zu nehmen. »Was wäre dein Adjektiv für sie, wenn du nur eins zur Verfügung hättest? Wie war sie für dich?«
»Ein Wort nur? Ha!« Er kaute. »Reserviert.«
»Oh!«
Er lachte. »Daes häsch vermuetli nöd hüüfig ghöört über sie?«
»Allerdings nicht.«
»Ich meine, sie war offen und charismatisch, faszinierend und begehrenswert, und dennoch hatte man bei ihr immer das Gefühl, dass sie etwas ganz Gheimnisvolls im Verborgense bhalte hätt.« Er schüttelte sich und zuckte.
Das sind jetzt seine Gefühle für sie, die den sonst so gut unterdrückten Tourette toben lassen, dachte Eva. Sie hörte Georg auf dem Flur reden, anscheinend war seine Recherche im Arbeitszimmer beendet und er telefonierte.
»Darf ich mir das hier klauen?«, sagte sie mit einem Grinsen und griff gespielt zögernd nach der Verpackung mit dem angebissenen Hörnchen. »Ich habe so einen Hunger!«
»Aber ja! Aber das habe ich doch schon … Was bin ich für ein miserabler Gastgeber, du kannst doch auch ein eigenes bekommen! Viel anderes ist allerdings nicht da.« Schon riss er den Küchenschrank auf, doch sie war längst im Flur.
»Danke! Das reicht mir.«
Georg sah das Hörnchen in ihrer Hand und zwinkerte ihr zu.
»Ist die Toilette jetzt frei?«, rief sie in Richtung Küche, damit Konrad es hörte.
»Das kann ich unmöglich einhalten!«, sagte Georg in sein Handy und rollte mit den Augen. »Mitte Juli, frühestens, ich bin mindestens noch eine Woche in Italien.«
Eva übergab ihm das kleine Paket im Vorbeigehen wie einen Staffelstab. »Meine Handtasche liegt neben Emil auf dem Sofa«, wisperte sie und verschwand in der geräumigen Gästetoilette.
Als sie wieder herauskam, fand sie Georg im Salon. »Ich melde mich, okay, bis dann, ciao ciao «, sagte er soeben und rieb sich über die Stirn, als ob er Kopfschmerzen hätte. »Die Leute von Foodproof schon wieder. Jetzt wollen sie die Strecke mit dem Ziegenkäse-Special auf einmal vorziehen. Dann müssen sie sich einen anderen Stylisten suchen.« Er legte das Handy weg. »Wo sind sie?«, fragte er.
»Wer? Konrad und Emil? Keine Ahnung. Ich komme gerade von der Toilette. Hast du es gut verpackt?«
»Was?«
»Das Teilchen, von dem er abgebissen hat! Unsere herrlich einfach zu isolierende DNA«, flüsterte Eva dramatisch.
»Ja, ja. Wo ist Emil?!« Seine Stimme war belegt, sämtliche Horrorfilme aus seinem Kopf schwangen darin mit.
»In der Küche? Irgendwo müssen sie ja sein. Hat er nicht gerade noch hier gespielt?« Der Gameboy lag grau und stumm auf dem Sofa.
Sie gingen hinüber, doch die Küche war leer.
»Vielleicht zeigt er ihm irgendwas in einem anderen Raum.«
Sie schauten sich an. Diesmal kein CSI, sondern reines Misstrauen. »Emil?!«, brüllte Georg. Keine Antwort.
»Konrad?!«
»Du hast telefoniert, Konrad war in der Küche, Emil saß im Salon, ich bin auf die Toilette gegangen, und du bist wieder zurück in den Salon …?«
»Ich habe beim Telefonieren noch ein bisschen vor den Bildern im Flur herumgestanden, vorne, an der Wohnungstür.«
»Und sie sind nicht an dir vorbeigegangen, also müssen sie ja noch hier sein.« Eva holte tief Luft. »Eeh-mieeel!!«, rief sie singend wie Helga am Tag zuvor durch die Badezimmertür, es sollte unbekümmert klingen.
»Er hat Nacktfotos von ihr gemacht, Eva!«, zischte Georg.
»Oh, shit . So was hatte ich irgendwie befürchtet.«
»Habe sie auf seinem Schreibtisch gefunden, nicht gerade gut versteckt. Sehr künstlerische allerdings.«
»Was soll das heißen?«
»Dass er sie nicht dazu gezwungen hat, dass er sie damit nicht erpressen konnte, dass sie ihn tatsächlich mochte …?« Er lief jetzt durch den Flur, öffnete alle Türen, schaute hinein, brüllte: »Emil? Konrad?« Ein Schlafzimmer, ein Gäste zimmer, eine Abstellkammer, ein komplett leeres Zimmer, die Wohnung war groß, doch schließlich hatten sie alle Räume durch.
»Die sind doch rausgegangen! Vielleicht gibt es noch einen anderen Ausgang.«
Georg bedeckte seine Augen mit einer Hand und massierte sich die Schläfen. »Fünf Minuten, das
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