Orangenmond
verschwunden seid. Die Party, die ich nur gegeben habe, um meinen Nachbarn Georg aus dem zweiten Stock einladen zu können.
»Na ja, wir haben in unserem verliebten Rausch natürlich nicht wirklich aufgepasst, und sie wurde schwanger. Bumm. Ein Kind der Liebe. Vom ersten Tag an … Und nun ist das alles nicht wahr?! Ich hätte das nie von ihr gedacht.«
Ich schon, schoss es Eva durch den Kopf. Nein, korrigierte sie sich sofort, das ist gemein.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Vor mir. Und ich meine: ganz kurz vor mir! Oder …«
»Währenddessen?«, fragte Eva leise.
Georg nickte mit zusammengekniffenen Augen.
»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Eine verliebte Frau springt nicht in anderen Betten herum.« Sieh nur mich an, war ich in den letzten fünf Jahren etwa mit einem anderen Mann außer dir im Bett? Na also.
»Und Milli war verliebt! Richtig verliebt.«
»Ja?« Er sah sie mit rot unterlaufenen Augen an.
»Ja!« Das war ja das Schlimme, fügte sie im Stillen hinzu. »Milena ließ sich zwar jahrelang treiben wie ein neugieriges Kind auf dem Jahrmarkt. Alles war spannend, alles war neu und brachte sie weiter, sie verliebte sich regelmäßig in ihre Regisseure und Filmpartner und beendete diese Beziehungen aber auch immer wieder ganz schnell. Sie litt nie besonders, weil es noch so viele – äh, Menschen zu entdecken gab … Aber als sie dich traf, war sie plötzlich anders.«
»Wann ist es dann also passiert, mit wem könnte sie …?«
Eva schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, es ist furchtbar, darüber nachzudenken. Nachzurechnen.«
»Vielleicht hat sie das Ganze mit mir doch nur geplant und berechnet …«
»Vergiss es«, sagte Eva, »sie hatte garantiert keinen Plan. Sie war unbeirrt und methodisch, was das Theaterspielen und die Auswahl ihrer Rollen beim Film anging, aber was ihren Körper und die Liebe betraf völlig planlos … Schrecklich.«
Würde ihn der letzte Satz beruhigen oder ihm noch mehr wehtun?
»Planlos hört sich für mich in diesem Zusammenhang ziemlich gut an. Du meinst, sie wusste von nichts?« Georgs Mund entspannte sich, als er so etwas wie ein Lächeln versuchte.
»Ich kann es dir nicht genau sagen. In den letzten Jahren ihres Lebens habe ich sie leider etwas aus den Augen verloren.«
»Du warst immer bei uns eingeladen …!«
»Ja, und bin dann oft nicht erschienen, ich weiß, meine Schuld!« Denn ich stand jedes Mal wie ein ausgesondertes Spielzeug daneben und schaute eurem glücklichen Leben zu, ergänzte sie in Gedanken. »Du hast mit ihr zusammengelebt, du kennst sie aus dieser Zeit besser als ich«, setzte sie laut hinzu.
Georgs Blick war der eines gequälten Hundes, der nicht versteht, warum man ihm Leid antut.
»Ein bisschen besser!«, berichtigte Eva und seufzte. »Milena war eben so. Nie wusste sie, wann sie ihre Tage hatte, die kamen total unregelmäßig. Als wir in der WG wohnten, habe ich zwei Kalender mit dem ›roten M‹ geführt. Einen für mich, einen für sie. Irgendwann habe ich es aufgegeben. Ihre Frauenärztin hat gesagt, sie habe einen absolut unregelmäßigen Eisprung.«
»Rotes M …! Dann kennst du dich ja in der Buchführung aus. Rechnen wir also! Ich komme da immer durcheinander, du bist die Biologin. Wie ist das mit dem Zyklus noch mal, ab wann ist da was möglich?«
»Oje. Das kannst du in jedem Biologiebuch nachlesen. Emil kam ja nicht nach sechs oder sieben Monaten auf die Welt. Ich glaube, er wog fast vier Kilo, oder?«
»3 788 Gramm!«
»Eben!«
»Du meinst, der Zeitpunkt kann nur einige Tage vor unserem Kennenlernen und dem Ausflug nach Dänemark gelegen haben?«
»Anzunehmen.«
»Ich weiß nicht, und wenn sie doch noch mal mit einem anderen … Während sie mich schon kannte …?«
Darauf habe ich damals ja gewartet, dachte Eva. Das geht nicht gut, habe ich gehofft, Milena ist doch viel zu sprunghaft! Es ging aber gut. Sie war wirklich verliebt, über fünf Jahre lang. Und wäre es wahrscheinlich heute noch. So wie ich.
Sie zuckte wieder mit den Achseln. »Was soll ich dir sagen? Ich kann es mir einfach nicht vorstellen.«
»Anfang Mai demnach«, überlegte Georg und strich sich über die Bartstoppeln, »da war sie gerade zurückgekommen vom Dreh für ›Die Mandeldiebin‹.«
»Ja. Ich glaube, sie hat vorher noch in Bratislava gedreht, dann kamen zwei Monate ›Die Mandeldiebin‹. Deswegen der Riesenkorb mit Zitronen …«
»›Die Mandeldiebin‹ also! Der Film und alle, die dabei waren. Alle Typen
Weitere Kostenlose Bücher