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Isartod

Isartod

Titel: Isartod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kämmerer
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O MONACO!
    Das Feine und das Leichte, das Unentschiedene. Das Liebenswerte und das Gscherte, das Gspickte und das Erdige, das Schweben zwischen zwei Extremen. Weder das eine tun noch das andere lassen müssen. Einfach raus und an die Isar setzen. Warten, was passiert. Wenn’s regnet, wird man nass. Schon klar. Wenn’s schneit, dann … Nein, im Sonnenschein. Es einfach zulassen. So wie in Dock of the Bay von Otis Redding:
    Ich sitz hier am Isarstrand,
    Zeit ist Wachs in meiner Hand,
    ich denk nach und trinke ein Bier,
    vielleicht auch drei oder vier,
    und hör, was die Isar rauscht,
    oder ist es nur der Verkehr?
    und dann pfeifen, ganz leise, ganz zart
    Na super, schon rauschillen, bevor man überhaupt anfängt. So ist das hier. Entspannt. Ja. München ist ein Klischee, ein schönes freilich: Millionendorf, nördlichsteStadt Italiens, Biergarten an Biergarten, Hofbräuhaus und Schmalznudel, Viktualienmarkt und Stachus, Apple Store und Kustermann, Sushi und Brezen, Ludwig Beck am Rathauseck, Straßen ohne Dreck.
    Der weite Blick. Die Alpenkette, zum Greifen nah. Und vor allem: Isar – die Wilde, mitten in der Stadt. Eiskalt, aus den Bergen, in die Herzen. Der Surfer, Radler, Jogger, Müßiggänger.
    Stimmt alles. Aber die andere Seite gibt es auch – in jedem Viertel. Giesing, Sendling, Milbertshofen. Sogar in Schwabing. Das Betonierte, Abweisende, Schmutzige. Hätte man es nicht amtlich, so könnte man an manchen Ecken glauben, man wär in Bukarest oder wo sonst die Modefarbe Grau heißt.
    So einfach ist das doch nicht mit München.
    Und in der Nacht ist alles noch mal ganz anders.
    127 KUBIKMETER
    Quiddestraße, Neuperlach, hässliche Wohnblocks am Ostpark. Kein Klischee. Echt. Echt greislig.
    Aber nicht auf die Form kommt es an – auf den Inhalt: In einem der Blocks wohnen Hauptkommissar Karl-Maria Mader und sein Dackel Bajazzo. Dreizimmerwohnung. 56 Quadratmeter. 2,26 Meter Raumhöhe. Macht 127 Kubikmeter. Genug zum Atmen, wenn man keine großen Ansprüche hat. Hat Mader nicht. Mader erwartet mit seinen 55 Jahren nicht mehr viel. Sein Privatleben: eine Eiswüste. Und die Einrichtung seiner Einmannwohnung ist das Resopalbild seiner Seele. Möbel von Segmüller, Schrankwand in Gelsenkirchener Barock, hellbraune Auslegware. Nur ein paar Requisiten in MadersLeben. Nicht die leiseste weibliche Ahnung. Eigentlich schade. Denn Mader ist auf seine Art ein cooler Typ. Und jobmäßig: Spitzenmann. Über dreißig Jahre Kriminalererfahrung. Bisschen ausgebrannt, aber nur ein bisschen.
    00:18. Digital und grün. Eine Fliege knallt immer wieder an die Scheibe des Schlafzimmerfensters. Selbstmordversuche. In einem Raum, der etwas streng riecht. Herr und Hund. Letzterer aber im Flur. Maders Atem rasselt wie die Entlüftungsklappe eines altersschwachen Boilers. Brrrbkrüü Brrrbkrüü Brrrbkrüü … Brrrbkrüü Brrrbkrüü Brrrbkrüü …
    Mader träumt von Catherine Deneuve: »Oh, Karl-Marie, oh, oui …, je t’aime, maintenant, viens …« Das Telefon unterbricht seine Träume. Er wirft sich im Bett herum und greift zum Hörer: »Oui, Madér …?«
    »Ich bin’s. Hummel.«
    »Hummél … Qu’est-que c’est?«
    »Was …? Wo sind Sie?«
    »À Paris.«
    »Was?«
    »Mei, Hummel! Im Bett, wo denn sonst!«
    »Mader, wir ham ’nen neuen Fall. Eine Wasserleiche.«
    »Aha … wo?«
    »Maria Einsiedel.«
    »Sauber. Ja, äh, holen Sie mich ab. Mein Auto …«
    »… ist kaputt, weiß ich. Bin schon unterwegs.«
    Mader knipste die Nachttischlampe an und kniff die Augen zusammen. Rote Sterne. Wie beim Silvesterfeuerwerk in der Glotze. Er schälte sich aus dem Bett und betrachtete erstaunt seine Wasserlatte. Eindrucksvoll. Wigwam. Was würde Catherine sagen? Nichts? Nur ein wissender Blick? Ein Lächeln? Ein herzhaftes Lachen?
    Mader schüttelte den Kopf und öffnete die Tür zum Flur, wo ihn sein Hund freudig begrüßte. »Na, Bajazzo, wo ist die Wurscht?«, nuschelte Mader und drückte sich an ihm vorbei aufs Klo. Dort schwierig: Vor lauter Latte konnte er nicht pinkeln. Auch sonst schwierig. Warum war er so spät noch beim Haxnbauer gewesen? Sehr belastend. Mader massierte seinen runden Bauch und strengte sich an. Nix. Kein Wunder. Mitten in der Nacht.
    Im Schein der trüben Klolampe studierte Mader seine Fußnägel. Ach, Catherine! Er tröstete sich. Solche Frauen gibt’s in Wirklichkeit nicht. Mader dachte an die Frau vom Nagelstudio um die Ecke. Solche gibt’s. Alles zog sich in ihm zusammen. Dann musste er lachen. Ein

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