Orcs ante Portas
wenn er möchte. Zwar ist er nicht gerade so gerissen wie ein Elfenohr und kein Gegner für Zitzerius, was den Intellekt angeht, aber er sieht immer sehr distinguiert aus. Turai vertraut ihm, jedenfalls fast, und er ist trotz seiner langen Amtszeit immer noch recht populär.
»Das reicht. Wir haben Euch nicht hergerufen, um mit Euch die beklagenswerte Geschichte Eurer Dienstzeit im Palastsicherheitsdienst zu diskutieren.«
Ich bereite mich auf eine langatmige Erläuterung des Grundes vor, aus dem genau sie mich hierher gebeten haben. Das kann sehr ausschweifend werden, vor allem dann, falls Zitzerius diese Erklärung liefern sollte. Jedes Mal, wenn der Vizekonsul mich gebeten hat, etwas für ihn zu tun, ging dem unweigerlich eine lange Gardinenpredigt voraus, wie lebenswichtig dies für das Wohlergehen der Stadt wäre, gefolgt von einem weiteren salbungsvollen Monolog über die patriotischen Pflichten aller Turanier. Kahlius jedoch hält sich nicht lange mit solchen Heucheleien auf.
»Lisutaris, die Herrin des Himmels, ist der Meinung, dass ein Angriff aus den Ork-Landen unmittelbar bevorsteht. Während der letzten Woche haben wir uns mit allen vertrauenswürdigen Elementen in Turai hinsichtlich der Verteidigung der Stadt besprochen. Eure Position als Tribun verlangt, dass Ihr ebenfalls eine Rolle in unseren Vorbereitungen übernehmt.«
Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Der letzte Krieg mit den Orks liegt etwa sechzehn, siebzehn Jahre zurück. Wir haben sie damals von unseren Mauern zurückgeschlagen, aber es war die blutigste Schlacht in der Geschichte Turais. Wir sind nur mit viel Glück als Sieger daraus hervorgegangen. Wäre die Elfenarmee nicht rechtzeitig eingetroffen, wäre die Stadt gefallen. Mir war immer klar, dass ich irgendwann wieder gegen die Orks kämpfen müsste. Aber ich hatte mich an die Hoffnung geklammert, dass dieser Kelch vielleicht doch an mir vorübergehen würde.
Außerdem höre ich heute zum ersten Mal davon. In einer Stadt wie Turai ist es sehr schwierig, ein Geheimnis zu bewahren. Wenn die Regierung tatsächlich seit einer Woche Konferenzen abhält, ohne dass etwas durchgesickert ist, hat sie offenbar eine Menge Aufwand betrieben, diese Dinge geheim zu halten.
Ich lasse mich unaufgefordert auf einen Stuhl fallen. »Prinz Amrag?«
Kahlius nickt. Wir erhalten seit einiger Zeit Berichte über diesen Prinz Amrag. Seine Laufbahn in den Ork-Landen hat als jugendlicher Rebell begonnen. Offenbar konnte er sich in sehr kurzer Zeit ein Königreich erobern und seinen Einfluss auf die umliegenden Gebiete ausdehnen. Es stand zu erwarten, dass er sich eines Tages zum Kriegsherrn und obersten Herrscher aller Ork-Länder aufschwingen würde, aber er hat es schneller geschafft, als irgendjemand geglaubt hätte.
Die Orks hassen uns genauso wie wir sie hassen. Das Einzige, was sie davon abhält, uns ständig anzugreifen, sind ihre eigenen Fehden. Und sobald jemand dort auftauchte, der die Fähigkeit besaß, ihre verfeindeten Nationen zu vereinen, war ein Angriff auf den Westen unausweichlich.
»Was soll ich tun?«
»Erstens«, sagt Kahlius, »dürft Ihr mit niemandem darüber sprechen. Wir sind noch nicht sicher, ob der Angriff tatsächlich stattfindet.«
»Wir sind sicher«, erklärt Lisutaris schlicht.
Der Alte Hasius Brilliantinius schnüffelt. »Ich bin mir nicht sicher«, murmelt er.
Lisutaris ist die Oberhexenmeisterin der Zaubererinnung, und zwar nicht nur der von Turai, sondern der Innungen im ganzen Weiten Westen. Diese Frau besitzt eine ungeheure Macht und eine ebenso große Intelligenz. Wenn sie sagt, die Orks kommen, dann glaube ich ihr. Der Alte Hasius ist zwar ebenfalls ein mächtiger Zauberer, aber er ist weit über hundert Jahre alt. Ich bin mir nicht sicher, ob er noch so wendig im Kopf ist wie er einmal war.
»Aufgrund Eurer Stellung als Tribun möchten wir, dass Ihr Präfekt Drinius bei verschiedenen Aufgaben in ZwölfSeen zur Hand geht. Das umfasst eine Überprüfung der südlichen Stadtmauern, die Inspektion der Wasservorräte, eine Auflistung aller Männer im waffenfähigen Alter in diesem Bezirk und die Zuweisung von Gebieten, in denen Waffen und andere Vorräte gelagert werden können.«
»Konsul Kahlius, ich bin selbstverständlich bereit zu helfen, aber ich bin weder qualifiziert noch habe ich in solchen Dingen die geringste Erfahrung.«
»Das wissen wir. Der Präfekt verfügt über einen eigenen Stab von Mitarbeitern und wird zusätzliches Personal
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