Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
wird gleich noch Ihre Personalien aufnehmen,
damit wir wissen, wie wir Sie erreichen können. Auf Wiedersehen, Herr
Generalvikar.“
Verena drehte sich um
und ging zurück ins Haus, um Keßler die Anweisung zu geben, die Personalien
Koopmanns aufzunehmen, doch dieser befand sich noch im Gespräch mit der
Haushälterin. Zu Keßlers Überraschung handelte es sich dabei um die Schwester
des Pfarrers, Ursula Baumert. Sie hatte zunächst telefonisch mit dem
Generalvikar gesprochen und dann den Notarzt angerufen. Dieser hatte dann den
Tod festgestellt und die Polizei informiert.
Dr. Bamberger hatte in
Absprache mit Verena eben die Leiche des toten Pfarrers zum Abtransport
freigegeben. Man hatte ihn einen Zinksarg gelegt und war gerade dabei, ihn zu
dem vor der Tür geparkten Leichenwagen zu schaffen.
Keßler hatte sein
Gespräch mit Ursula Baumert beendet und hatte jetzt freien Zugang zu dem
Schreibtisch des Verstorbenen. Dort, wo eben noch der Körper eine große Fläche
der Schreibtischplatte bedeckte, fiel ihm ein Kalender auf. Er platzierte
diesen so auf der Tischfläche, dass er die Eintragungen gut lesen konnte. Die
aktuelle Woche war mit Terminen gefüllt. Der Pfarrer hatte minutiös neben der Uhrzeit
des jeweiligen Tages den Namen des Gesprächspartners eingetragen. Daraus
konnten sich interessante Hinweise darauf ergeben, mit dem Baumert zuletzt
gesprochen hatte. Dann stieß er auf einen Eintrag, der auf den ersten Blick
keinen Sinn ergab. Über der Spalte des aktuellen Tages standen in kleiner
Schrift die folgenden Zeichen und Zahlen:
? → 1, 5, 14, 5,
9, 19
1, 5, 14, 5, 9, 19 ϵ 3,
19, 1
□
Direkt
daneben ließen sich die folgenden Zeichen erkennen:
I ħ S
ʔʕ
Keßler stutze.
Vorsichtig löste er die Seite aus dem Kalender heraus, faltete sie zusammen und
steckte sie dann in die Innenseite seines Sakkos.
Was in Gottes Namen sollten
die Zeichen bedeuten? Und wer hat Interesse daran, einen katholischen Pfarrer
aus dem Leben zu räumen? Was bedeuteten vor allem die seltsamen Zahlenreihen?
„Keßler!“ Verenas
Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.„Draußen wartet noch immer der
Generalvikar auf Sie. Nehmen Sie freundlicherweise seine Personalien auf?“
„Ja, mache ich sofort.“
Verena fragte etwas
später einen ihrer Kollegen von der KTU, ob man etwas Auffälliges und
Ungewöhnliches gefunden hatte. Der Beamte verneinte zunächst die Frage, doch
dann kam er nochmal zurück und sagte: „Eine Sache finde ich doch etwas seltsam.“
Er zeigte auf den Kalender auf dem Schreibtisch.
„Sehen Sie den Kalender
dort? Die Seite mit der laufenden Kalenderwoche fehlt! Sie wurde
herausgetrennt. Entweder von dem Toten selber oder von jemandem, der nicht
wollte, dass wir sie finden.“
Er zog die Schultern
hoch und verließ dann den Raum. Verena betrachtete den Kalender, nahm ihn an
sich und folgte ihrem Kollegen.
5
+++ Mittwoch, 12. September - 7.15 Uhr · Wohnung von Vergil Nagy, M ü nchen
+++
Nur der frühe Vogel
fängt den Wurm. Vergil Nagy stand vor dem offenen
Schlafzimmerfenster seiner Wohnung und reckte sich. Die ersten Sonnenstrahlen
des Tages trafen auf seinen durchtrainierten Körper und sorgten für ein
wohliges Prickeln auf der nackten Haut.
Er liebte das frühe
Aufstehen. Jeden zweiten Tag lief er morgens eine Runde von mindestens zehn
Kilometern und genoss dabei jeden Atemzug. Während seiner Studentenzeit in
Queens hatte er an diversen Triathlon-Wettbewerben mit beachtlichem Erfolg
teilgenommen. Doch seit er zurück in Deutschland war und seine Anstellung bei
einem Pharmakonzern hatte, blieb ihm kaum noch Zeit, diesem Hobby nachzugehen.
Er hatte wichtigere Aufgaben zu erledigen.
Nachdem er seine
Sportkleidung komplett abgelegt und geduscht hatte, gönnte er sich ein für
seine Verhältnisse üppiges Frühstück mit Rührei und Speck und einem großen Glas
frischgepressten Orangensaftes. Gut gestärkt wollte er seine heutige Aufgabe
erfüllen.
Seine Tasche mit der
Plastikbox und den Ampullen, dem Druckinjektor und einigen anderen Utensilien
stand auf dem Küchentisch bereit.
Der Herr ist mein
Hirte; mir wird an nichts mangeln. Immer wieder betete
Vergil den 23. Psalm Davids. Es war einer seiner Lieblingstexte. Schon als Kind
hatte ihm der Vater die Bedeutung der Worte erklärt.
Immer wieder dieselben
Worte vor sich hin murmelnd, machte sich Vergil auf den Weg in Richtung Landsberg.
Dort wartete eine große Aufgabe auf ihn.
6
+++ Mittwoch, 12.
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