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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dos Passos
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Benzin. Abdullah war ein verhutzelter, brauner, sorgenzerfurchter Mann, der lange geduckte Schritte machte. Wir entfernten uns in östlicher Richtung von der Straße, einigen schwachen Lichtern entgegen, bei denen es sich vielleicht um ein Dorf handelte. Es war eigentümlich, über den unebenen Boden zu laufen. Am Himmel waren Sterne, aber sie gaben kein Licht. Ein kühler staubiger Wind schlug uns manchmal entgegen, ein Wind, der nach nichts roch. Wir gingen durch eine Leere, aus der sich alle Formen und Farben und Gerüche zurückgezogen hatten, so wie sich eine Schnecke in ihr Haus zurückzieht. Wir gingen und gingen, ohne ein Wort zu sagen. Abdullah legte die Hand auf meinen Arm. Wir blieben stehen. Direkt vor unseren Füßen klaffte ein tiefes Erdloch. Ich erinnerte mich, tags zuvor während der Fahrt Steinbrüche oder Kalkgruben gesehen zu haben. In der Dunkelheit war ein flackerndes Licht zu erkennen. Irgendwo roch es nach brennendem Holz. Wir kletterten und rutschten den Abhang hinunter, bis wir auf schlammigem Grund standen. Abdullah ging voran, ich hinterher, so gut es ging. Wir kamen zu einem brennenden Ofen. Rauchschwaden hüllten uns ein. Da wir niemanden fanden, stiegen wir wieder hinauf. Wir hörten Hundegebell. Als wir uns dem Dorf näherten, kam uns die kläffende Meute entgegen. Wir machten ein paar Lehmhütten aus und gingen dorthin, während die Hunde knurrend und zähnefletschend nach uns schnappten.
    Ein alter Mann schaute verschlafen aus einer Tür und zeigte uns den Weg nach Kazimain. Eine ganze Weile folgten wir der Piste, bis sie irgendwo aufhörte und wir wieder über die zerklüftete Ebene stolperten. Das war frustrierend. Nach etwa einer Stunde stießen wir auf ein Eisenbahngleis. Die gute alte Bagdadbahn! Es hätte die Willimantic Air Line sein können. Schließlich kamen wir zu einem Bahnhof. Alles war dunkel, aber nach Osten ging wieder eine Straße. Sie führte durch ein Armeecamp. Zu Dudelsack und leisem Getrommel tanzten Soldaten neben lodernden Lagerfeuern. «Kazimain», sagte Abdullah, legte mir eine Hand auf die Schulter und wies mit der anderen zum Horizont.
    In Kazimain klopften wir so laut am Tor des persischen Konsulats, dass die Toten aufgewacht wären. Schließlich erschien der Konsul in Pantoffeln persönlich in der Tür, hinter ihm Diener mit Lampen. Er muss gedacht haben, dass die perfiden Ingliz gekommen waren, ihn zu ermorden. Als er von der Lage seines Kollegen vom Weißkopfseeadler erfuhr, rang er die Hände und ließ seine Limousine vorfahren. Wir fuhren eilig die Straße entlang, um dem gestrandeten Konsul Hilfe zu bringen, bis die Straße plötzlich vor einer tiefen Erdgrube endete. Der Chauffeur des persischen Konsuls schüttelte den Kopf. Er könne unmöglich weiterfahren. Also machte sich der Hilfstrupp wieder zu Fuß auf den Weg, durch Rinnen und Hohlwege stolpernd, bis wir, jeder mit einem Kanister Benzin in der Hand, ganz erschöpft zu dem brennenden Kalkofen kamen. Schließlich fanden wir die Spuren des Fords auf einem Pfad. Wir riefen und jodelten. Von fern antworteten die kläffenden Hunde. Abdullah fand ein Stück Melonenschale. Das Auto war verschwunden. Hier musste es gestanden haben. Langsam und ahnungsvoll fügte er die Schalen zu einer kompletten Melone zusammen. In der Sternendunkelheit war sie kaum zu erkennen. Ja, alles deutete darauf hin, dass dies die Melone war, die der Sahib Konsul gegessen hatte, als wir ihn zurückgelassen hatten. Das Auto war verschwunden, vielleicht hatten Räuber es weggetragen. Abdullah hockte sich an den Wegesrand, wollte dort bis zur Morgendämmerung sitzen bleiben. Ich ließ ihn neben den Kanistern sitzen und machte mich zu Fuß auf den Weg nach Bagdad.
    Allein auf staubigen Pisten zu gehen, dabei aufmerksam den Furchen zu folgen, ist, als bewege man sich durch einen Traum, an den man sich nicht mehr erinnert. Die Vielzahl unbekannter Sterne. Die Ebene ist trotz der Sterne vollkommen dunkel und leer, wird erdrückt von der Leere. Unter der Stille ist ein Vibrieren, das jederzeit in das irre Gekläff von Pariahunden ausbrechen kann. Land voll schwirrender Flügel ... ein Volk, das befiehlt und zertritt, dessen Land Wasserströme durchschneiden.

X   DIE STEINIGE WÜSTE
VON DAMASKUS
     
     
    «Was, Sie haben noch nie eine Prärieauster gegessen?», rief der Major. – «Nein.» – «Na, das holen wir sofort nach, gleich heute Abend!» Und so geschah es auch, nachdem wir allen einen Rundflug mit verbundenen Augen

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