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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dos Passos
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angeboten hatten, selbst dem Koch und den Lastenträgern und einem kleinen Mann, der von der Straße weg hereingezerrt wurde, und während wir unsere Prärieaustern 27 verspeisten und einen letzten Schluck Scotch tranken, fielen irgendwo am Stadtrand Gewehrschüsse. Jemand schaute hinaus auf den regnerischen Platz vor dem Fenster und sagte: «Oha, klingt nach einer Schießerei.» Nachdem ich zu Bett gegangen war, konnte ich durch das Regenlispeln an Lehmmauern hin und wieder einen Schuss hören, der wie splitterndes Glas durch den Rhythmus des Regens fuhr.
    Morgens bei Eiern und Speck stellte sich heraus, dass es ein Überfall auf den Serai, den Regierungssitz, gewesen war und dass der Tresor erbeutet worden war. «Macht nichts», sagte der Berater, «ich weiß, wer es war, ein guter Freund von mir. Ich werde ihn einsperren lassen. Diese verdammten einheimischen Soldaten stecken wahrscheinlich unter eine Decke mit ihm. Ich werde ihn mir vorknöpfen.» Kaum hatten wir die letzte Tasse Tee getrunken, als mit großem Tamtam ein junger Mann hereingerauscht kam, der eine elegante persischen Abaya aus Kamelhaar und einen kostbaren rosa Agal trug, der so schwer mit Goldfäden durchwirkt war, dass er ihm grotesk schief auf dem Kopf saß. Er sagte, er sei der Sohn des Naqib von Medina und ein Verwandter von König Faisal, und gab, wie ich später erfuhr, eine lebhafte Beschreibung des heldenhaften Widerstandes, den das Karawanenlager im Kampf gegen die Angreifer geleistet hatte. Er sagte auch, dass es für die Kamele zu nass sei und dass wir uns noch einen Tag die verfallenen Mauern und Dattelgärten von Ramadi angucken sollten. Morgen, so Gott will ... Bukra inschallah.
    Dann wurden der Pilot und der Geheimdienstmann und ich eingeladen, den jungen Mann mit dem rosagoldenen Agal in seinem Zelt zu besuchen. Ich musste auf einem Pferd mit roten Troddeln am Zaumzeug reiten. In dem Zelt, einem in Bagdad gekauften englischen Zelt, saßen wir auf Schaffellen und tranken Tee und aßen türkische Süßigkeiten, und ich blätterte in meiner Liste mit arabischen Ausdrücken wie in einem Brevier. Bronzegesichtige Leute traten ein, grüßten höflich und schwiegen. Talgiger Schaffellgeruch. Blitzende Augen und Zähne, braune Zehen auf einem persischen Teppich, schlanke Hände bewegungslos unter Gewandfalten, und ein verwegen aussehender Mann mit schwarzem Bart reichte kleine bauchige Teegläser herum, in die der junge Mann mit dem rosagoldenen Agal, der, wie sich herausstellte, Sajjid Mohammed hieß, als besondere Aufmerksamkeit eigenhändig Kondensmilch gab. Schließlich entkamen wir nach vielen beiderseitigen Verbeugungen und Höflichkeiten an die frische Luft und kehrten zurück zu Stühlen, Whisky-Soda und Lunch. Am Nachmittag tauchte der unermüdliche Sajjid Mohammed wieder auf und schleppte mich zu den Kaffeehäusern und Zigarettenhändlern im kleinen Basar nahe dem Euphrat. Wir hockten auf Korbbänken, grinsten einander zu, sprachlos wie Affen, und beobachteten die schimmernden Fliegen draußen in der Sonne und tranken aus winzigen Tassen Kaffee, nachtschwarz und mit einem Gewürz versetzt, dem Kraut des Aufschubs vielleicht, das jene bittersüße Schläfrigkeit herbeiführt, die einen überkommt, während man auf Dampfer wartet, die Kohle bunkern, und darauf, dass Straßen wieder trocknen und Flüsse wieder passierbar werden und Karawanen aufbrechen. Morgen, inschallah, so Gott will, werden wir die Reise durch die Wüste nach Damaskus antreten.
    Und in dem Moment kämpfte sich ebenjener rostige Ford ächzend durch die Morastfurchen und Pfützen, der mich von Bagdad über das Steppenland zwischen den beiden Strömen transportiert hatte. Der Sajjid war sofort Feuer und Flamme, und nach langen Diskussionen fuhren wir durch den Nieselregen, schaukelten durch Tümpel, knatterten durch schmale Gassen, verscheuchten alte Frauen und Hühner und erschreckten Pferde, die sich aufbäumten und losrissen. Das halbe Kaffeehaus war herbeigeeilt, ernste, braungewandete Männer mit Bärten wie Micha und Hesekiel standen auf den Trittbrettern, kleine Buben zogen sich das Gewand über die Schulter und rannten hinter uns her, und bei jeder Fehlzündung rollten alle mit den Augen und riefen Hamdulillah, gelobt sei Gott. Nachdem wir die Mauern und Dattelgärten und die Friedhöfe von Ramadi zweimal umkurvt hatten, knallte der Motor noch einmal laut, das Getriebe rumorte entsetzlich, und dann blieb der Wagen schließlich stehen. Der Fahrer riss sich

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