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Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dos Passos
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wäre, hätte er eine Nation geschaffen und nicht viele.
    Die arabische Nation, die Gemeinschaft der Gläubigen in Bagdad und Damaskus, habe den Ingliz und Faransawi bereitwillig geholfen, die tyrannischen Osmanli zu verjagen, die nun, den Worten von Mister Vilson zufolge, mit aller Welt in Frieden leben wollten. Doch die Alliierten handelten nicht entsprechend den Worten von Mister Vilson und auch nicht entsprechend den Grundsätzen von Scheich Jurj Washiton. Das sei nicht gut. Die Faransawi hätten arabische Patrioten in Damaskus ins Gefängnis geworfen, und die Ingliz brächen ihr Wort und seien dabei, die Iraker zu versklaven. Die Ingliz glaubten, sie könnten die Araber von Bagdad und Basra und Damaskus wie das Volk von Hind behandeln. Sie würden erkennen, dass die Araber aus härterem Holz geschnitzt seien. Sie hätten versucht, durch die Errichtung von sogenannten Königreichen das Volk zu täuschen, wo doch der einfachste Lastenträger im Basar wisse, dass Feisal und Abdullah und selbst der König des Hedschas, obwohl ihm die heiligen Städte unterstehen, sich einzig auf die Gewehre der Ingliz stützten.
    Der Amerikai müsse seinen Landsleuten berichten, dass das Volk des Irak weiterhin für seine Freiheit kämpfen werde und für die Prinzipien, die Scheich Washiton und Mister Vilson verkündet haben. Der letzte Aufstand sei gescheitert, weil schlecht vorbereitet. Das nächste Mal ... Seine Stimme wurde ein kleines bisschen lauter.
    Wir erhoben uns, er geleitete uns zur Tür. Ich bat meinen Guide, ihn nach dem Plebiszit zu fragen. Der alte Mann lachte. O ja, in den Basaren habe man Zettel verteilt, die aber schon mit einem Ja für das Mandat bedruckt seien, damit die Ungebildeten, ohne es zu wissen, für die Regierung stimmen. Doch nur die Juden hätten ihre Stimme abgegeben und ein paar Ungebildete. Welcher Mensch, der lesen kann und das Gesetz kennt, werde sich durch Teilnahme an dieser Abstimmung erniedrigen?
    O Selbstbestimmung, wo ist dein Stachel?

4. Missgeschick eines Konsuls
     
    Aufgrund der Fata Morgana und weil wegen der Erdspalten in alten Wasserläufen der Piste schwer zu folgen war, trafen der Repräsentant des Weißkopfseeadlers und ich erst sehr spät in Samarra ein, nachdem wir in unserem Ford den ganzen Nachmittag durch die kahle, steinübersäte Ebene gefahren waren, in der man immer wieder an Trümmerhaufen verfallener Städte und Türme vorbeikommt. Es war fast dunkel, als wir auf der verrückten Fähre übersetzten und in der Ferne die Silhouette des mächtigen Ziggurat sahen, der an den Turm von Babel in alten Bibelillustrationen erinnerte. Gleich hinter uns kam der Berater in seinem Auto, um herauszufinden, was wir im Schilde führten. Wir begaben uns alle zum Haus des Gouverneurs, wo wir Zimmer bekamen, deren plüschiges Mobiliar frisch aus London importiert worden war. Das Dinner war eine grandiose Angelegenheit. Der Höhepunkt des Abends war, als der Gouverneur, angeregt durch hochprozentige Getränke (der Koran verbietet schließlich nur Wein) uns mit Brillantine salbte. Der Repräsentant des Weißkopfseeadlers war ein hochgewachsener Mann, der weder rauchte noch trank. Er saß aufrecht da, mit einem Glas Arak in der Hand, den er nicht anrührte, Brillantine lief ihm über das Gesicht, während ihm der Gouverneur durchs Haar fuhr. Der Berater, der seinen eigenen Whisky mitgebracht und sich der Operation fröhlich unterzogen hatte, lehnte sich mit puterrotem Gesicht zurück. Es war ein netter Abend.
    Auf der Rückfahrt nach Bagdad am nächsten Nachmittag verfransten wir uns völlig. Bei Einbruch der Nacht war kein Tropfen Benzin mehr im Tank. Wir befanden uns auf irgendeiner Piste zwischen Tigris und Euphrat. Nach längerem Palaver, denn es galt als unsicher, sich nach Einbruch der Dunkelheit außerhalb von Städten aufzuhalten, ließen wir den Repräsentanten des Weißkopfseeadlers meloneessend im Wagen zurück, während wir uns auf die Suche nach einem geheimnisvollen Dorf machten, wo wir vielleicht einen Kanister Benzin auftreiben würden.
    Geht hin, ihr schnellen Boten, zum Volk, das hochgewachsen und glatt ist, zum Volk, das schrecklicher ist als sonst irgendeines, zum Volk, das befiehlt und zertritt, dessen Land Wasserströme durchschneiden.
    Seltsam, wie bibelerfüllt dieses Land ist, wie sehr die Verwünschungen der hebräischen Propheten diese trostlosen Ebenen und Steinhaufen versengt und verdorrt haben.
    Der Konsulatsdiener und ich machten uns also auf die Suche nach

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