Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Orient-Express (German Edition)

Orient-Express (German Edition)

Titel: Orient-Express (German Edition)
Autoren: John Dos Passos
Vom Netzwerk:
durch Schluchten und trockene Wasserläufe und über sanfte Geröllhügel. Haufenweise Karnickel, sobald es ein bisschen Vegetation gibt, und pingelig aussehende graubrüstige Vögel. Ob das Wiedehopfe sind? Heute Nachmittag erwischte es den Hadschi. Eines von Abdullahs Maultieren, die andauernd Ärger machen, biss dem Kamel in den Schwanz, das daraufhin einen großen Satz machte und sich in dreizehn Richtungen drehte, dass der Hadschi mitsamt Regenschirm und diversen kleinen Päckchen und Kochtöpfen in hohem Bogen aus dem Sattel flog. Der alte Herr stöhnte und rief «Hamdulillah», bis alle herbeikamen und ihm hochhalfen und Abdullah und seine Maultiere verfluchten und den verbogenen Regenschirm richteten. Dann rappelte er sich auf und stieg wieder auf sein Tier, als wäre nichts passiert.
    Während wir das Lager errichteten, wurde ein hoffnungslos lahmendes Kamel getötet. Es schien zu wissen, was ihm drohte, stand torkelnd in der Mitte des Lagerplatzes und sah sich glubschäugig um. Einer der kleinen schwarzen Männer aus dem Nedschd, mit hochgekrempelten Ärmeln und straffgegürtetem Gewand, riss das Tier von den Beinen und schnitt ihm blitzschnell die Kehle durch. Noch ehe alles Leben aus dem Leib gewichen war, wurde das Tier gehäutet und mit viel Begeisterung und Gebrüll zerteilt. Fahd, blutig bis zu den Ellbogen, schleppte die Leber und mehrere Rippen an. Die Leber wurde sofort in der glühenden Asche gegrillt, das übrige Fleisch wurde gekocht. Ich las derweil von den grandiosen Idiotien des Amant Magnifique und nahm bei Sonnenuntergang ein exzellentes Dinner aus Porridge und Kamelfleischstücken mit gebratenen Zwiebeln ein. Die Zwiebeln sind tatsächlich aus meinen eigenen Beständen. Ging schlafen und träumte vom Sonnenkönig und von roten Absätzen, die sich zu langsamen Sarabanden bewegen.
    Zwanzigster Tag . Als wir heute Morgen aufbrachen, ging hinter uns die Sonne auf, ein unglaubliches Feuerwerk aus Grau und Gummiguttagelb und Lachsrosa. Schläfrig schaukelte ich auf Malek dahin, Stunde um Stunde, unter einem so intensiven Himmel, dass es schien, als könne man durch das blaue Licht der Welt bis in das Schwarz des unendlichen Raums sehen. Abends kampierten wir in einer flachen Ebene voll Ruetha. Entfernte mich weit von der Karawane mit ihren lauten Geräuschen des Kochens und des Zeltaufschlagens, bis sogar die weidenden Kamele hinter den Hügeln verschwanden. Kein Wind wehte. Nur das gelegentliche Knirschen eines Steins unter meinen Füßen war zu hören. Plötzlich dachte ich an die Wüstendämonen, von denen Marco Polo erzählt, die dem Reisenden ins Ohr flüstern, ihn von den Zelten und der Karawane weglocken, über immer neue Hügel, bis er die Orientierung verliert und in der Leere umherirrt und schließlich stirbt. Es war fast dunkel. Dicke Kondorwolken türmten sich über dem blutenden Westen. Ein schwacher Wind kam auf und pfiff, wisperte leise zwischen den Flintsteinen. Fast war es, als flüsterte er meinen Namen. Ich raffte den Saum meiner Abaya und lief und lief, bis ich im letzten Dämmerlicht die Zelte sehen konnte und die Ballenstapel und den Kreis der Lagerfeuer und die vielen unruhigen langhalsigen Kamele, die für die Nacht angebunden wurden.
    Manche Leute sprechen von acht, andere von fünfzehn Tagen bis Esch-Scham.
    Einundzwanzigster Tag . Im Westen zwei kleine kegelförmige Berge. Ich glaube, der eine heißt Dschebel Suab. Die Gruppe der Granden, die weit vor der Karawane ritt, kam plötzlich über dem Kamm einer niedrigen Anhöhe in Sichtweite einer großen Herde von Gazellen. Eine ganze Weile sahen sie uns nicht. Jeder hatte sein Gewehr bereit. Doch dann sprangen die vordersten Gazellen hoch in die Luft wie Brecher an einem Meeresfelsen und stürmten davon. Im Nu war die ganze Herde verschwunden. Zu schade, denn meine Vorräte sind aufgebraucht, ich lebe von Reis und frittierten Datteln, die ich von Jassem bekomme. Auch mein Zigarettenvorrat ist aufgebraucht, was sich in der Karawane anscheinend herumgesprochen hat, denn diese feinen Leute sorgen dafür, dass ich immer etwas zu rauchen habe. Dauernd kommen Männer, denen ich nie freundschaftlich verbunden war, und bringen etwas, so dass ich, um sie nicht vor den Kopf zu stoßen, mehr rauchen muss, als mir lieb ist. Hassun beispielsweise will, dass ich zwei auf einmal rauche. Komisches Gefühl, die ganze Zeit hungrig zu sein. Habe stundenlang Visionen von Gänsebraten und Vallisneria-Ente und Horsd’œuvre im Bristol. Wenn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher