Orphan 1 Der Engel von Inveraray
Freude und Geschick und besucht jeden Sonntag mit der ganzen Familie den Gottesdienst. Sie ist ein ernstes, fleißiges Kind, das zu großer Liebe und Treue fähig ist. Ich weiß, dass sie einen großen Fehler begangen hat, Euer Ehren", sagte sie und blickte dem Richter dabei geradewegs in die Augen, „doch ich flehe Sie an, Mitgefühl zu zeigen und sie wieder in meine Obhut zu geben. Ich kann Ihnen versprechen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird."
„Vielen Dank, Mrs. Blake." Mr. Pollock nickte zufrieden. „Ich habe keine weiteren Fragen mehr, Euer Ehren."
Der Richter unterdrückte ein Gähnen. „Hat der Vertreter der Anklage noch Fragen an diese Zeugin?"
„In der Tat, ja." Mr. Fenton schlenderte zu Genevieve hinüber und kratzte sich unter dem Rand seiner Perücke den Schädel. „Mrs. Blake, ich muss zugeben, dass ich ein wenig verwirrt bin. Wenn das Zuhause, das Sie der Angeklagten geboten haben, tatsächlich so ein Musterbeispiel an Tugend und Beständigkeit ist, wo sie mit allem versorgt wird, was sie braucht, warum wurde sie dann in Mr. Ingrams Laden beim Stehlen ertappt?"
Genevieve zögerte, denn sie spürte, dass er sie in die Falle locken wollte.
„Gab es etwas, das sie dringend benötigte, von Ihnen jedoch nicht bekam?" bohrte er.
„Nein, natürlich nicht..."
„Was hat sie dann veranlasst, sich auf diese angeblich so untypische Weise zu verhalten?"
Haydon beobachtete besorgt, wie Genevieve nach Worten rang. Wenn sie zugab, dass sie in großen finanziellen Schwierigkeiten steckte und die Kinder versucht hatten, ihr zu helfen, würde das Gericht vermuten, dass sie nicht mehr für alle sechs Kinder in ihrer Obhut aufkommen konnte. Sagte sie hingegen, sie wisse nicht, warum Charlotte sich an dem Überfall auf Mr. Ingram beteiligt hatte, würde dies den Schluss nahe legen, dass Charlotte von Natur aus böse war, vor allem angesichts der Tatsache, dass es ihr in Genevieves Haus an nichts gefehlt hatte.
„Charlotte glaubte, sie würde mir helfen", begann Genevieve zögernd.
„Indem sie stahl?"
„Sie hat nicht wirklich etwas gestohlen ..."
„Kommen Sie, Mrs. Blake, wir wollen hier keine Wortklauberei betreiben! Die Angeklagte war Mitglied einer Diebesbande, die gemeinsame Sache machte, um mehrere kostbare Schmuckstücke aus Mr. Ingrams Laden zu stehlen, und Schäden in Höhe von mehreren hundert Pfund in seinem Geschäft angerichtet hat. Dass Charlotte die geraubten Gegenstände bei ihrer Verhaftung nicht bei sich trug, ist hier kaum von Belang. Wollen Sie behaupten, sie hätte versucht, Ihnen zu helfen, indem sie diese Juwelen stahl?"
Genevieve zögerte. „Ich glaube, ja", meinte sie schließlich.
„Ich verstehe. Sie mögen diese Frage als unverschämt empfinden, Mrs. Blake, aber ich finde, das Gericht sollte wissen, wenn Sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden. Tun Sie das?"
„Ich bin sehr wohl in der Lage, meinen Haushalt ordnungsgemäß zu führen und die mir anvertrauten Menschen zu versorgen, Mr. Fenton", versicherte sie ihm mit fester Stimme.
„Dann müssen Sie zugeben, dass die Angeklagte keinen zwingenden Grund hatte, Mr. Ingrams Geschäft auszurauben, und das Motiv für ihre Tat allein in den kriminellen Neigungen zu suchen ist, die Sie der Angeklagten trotz all Ihrer Bemühungen nicht austreiben konnten", fasste der Staatsanwalt zusammen.
„Das ist nicht wahr!"
„Ich habe keine weiteren Fragen, Euer Ehren."
„Aber das, was er gesagt hat, ist eine Lüge ..."
„Mrs. Blake, Ihre Vernehmung ist beendet", unterbrach sie der Richter. „Sie dürfen auf Ihren Platz zurückkehren."
Genevieve zwang sich zur Ruhe. Charlotte sollte nicht glauben, dass alles verloren war, doch das würde sie gewiss tun, wenn sie Genevieve vor dem Richter toben oder weinen sah. Genevieve warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu und ging dann langsam zu ihrem Platz an Haydons Seite zurück.
Der Richter überflog kurz die vor ihm liegenden Papiere und sprach dann das Urteil:
„Da die Beteiligung der Angeklagten am genannten Raubüberfall zweifelsfrei erwiesen ist, habe ich keine andere Wahl, als sie des ihr zur Last gelegten Verbrechens für schuldig zu befinden. Bleibt noch das Strafmaß zu bestimmen. Es ist offensichtlich, dass die Angeklagte trotz Mrs. Blakes Bemühungen, sie auf den rechten Weg zu führen, nicht in der Lage war, ihren angeborenen Hang zum Diebstahl und ihre mangelnde Achtung vor dem Gesetz zu besiegen. Daher verurteile ich Charlotte McCallum hiermit zu ihrem
Weitere Kostenlose Bücher