Ort der Angst (German Edition)
dir, Königin zu sein?“
„Königin?“ Amankaya begann zu lachen. Als Xaman nicht darauf reagierte, starrte sie ihn voller Erstaunen an und kam zurück. „Ek Balam beachtet mich schon lange nicht mehr.“ Anmutig streife sie ihr Gewand über. „Für ihn bin ich nur noch ein Spielzeug, das seinen Reiz verloren hat.“
Xaman stand auf und umarmte die junge Frau. „Dann ist er ein Narr! Und ein Blinder obendrein!“
„Nein, unmöglich! Er sieht in mir kaum mehr, als eine Dienerin.“
„Immerhin bist du Teil des königlichen Gefolges und von edlem Blut. Wäre ich an seiner Stelle …“ Xaman forschte in ihrem schönen Gesicht. Er brauchte nicht weiterzusprechen. An ihrem Blick erkannte er, dass sie verstand, worauf er hinauswollte. Er presste sie dicht an sich und küsste sie. Als er seinen Griff lockerte, sah er ihr in die Augen.
„Sollte ich dich in naher Zukunft um etwas bitten, wirst du dann tun, was ich verlange?“ Der Klang seiner Stimme ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Worte. „Niemand darf davon wissen! Kann ich mich auf dich verlassen?“
Mit einem stummen Nicken signalisierte sie ihr Einverständnis und presste die Lippen zusammen. Xaman lächelte in sich hinein und ließ sie gehen. Gab es ein nützlicheres Werkzeug als die verschmähte Gespielin eines Konkurrenten?
Voller Zuversicht durchquerte er den Raum und ging zu seiner Lagerstatt. Dort nahm er einen tönernen Krug vom Boden und goss Wasser in eine Schale, um sich zu waschen. Sobald Xaman erfrischt und angekleidet war, öffnete er eine verborgene Wandnische und griff hinein. Ein einziger Gegenstand befand sich darin. Seit Generationen befand sich das Kleinod im Besitz seiner Familie. Wenn Xaman es berührte, glaubte er, die Blicke der Ahnen zu spüren. Er steckte es ein. Wenn er den Beistand seiner Vorfahren brauchte, dann jetzt.
Kapitel 4
„Schick ihn hinaus!“, forderte Xaman und deutete auf den Jüngling, der Yunuen zu Füßen auf dem Boden hockte. Die weichen Gesichtszüge des Burschen wirkten auf Xaman unnatürlich, beinahe abstoßend.
Durch eine der großen Fensteröffnungen drang das Rauschen des Regens herein. Die Flämmchen der Lampen brannten unruhig und malten rußige Bahnen in die Luft. Der Älteste neigte den Kopf und ließ seine Finger durch das Haar des Jungen gleiten.
„Aber warum denn? Ich brauche ihn stets um mich. Er ist mir von größtem Nutzen!“
Widerwillig verzog Xaman den Mund. Dass Yunuen den Knaben nicht nur brauchte, um sich von ihm den Weg weisen zu lassen, war für ihn kein Geheimnis. Die Neigungen des Ältesten interessierten ihn aber nur am Rande. „Es ist wichtig! Lass uns unter vier Augen miteinander sprechen!“
„Nun denn, er hier ersetzt die meinen. Außerdem beherrscht er weder die Schrift, noch kann er sprechen. Besonders helle ist er auch nicht, aber das macht nichts. Warum also sollte er uns stören?“
Xaman betrachtete den vor sich hin stierenden Jungen voller Argwohn. Was, wenn dieser nur vortäuschte, ein Idiot zu sein, tatsächlich aber im Auftrag eines anderen spionierte? Schließlich bediente Xaman sich ebenfalls solcher Methoden.
„Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen, oder ist dir entfallen, weswegen du gekommen bist?“, höhnte Yunuen.
„Wir sind nach wie vor nicht allein! Oder ist dir dieser Umstand entgangen?“
Geraume Zeit herrschte Schweigen. Als dem Ältesten klar wurde, dass Xaman nicht einlenken würde, gab er ein Brummen von sich. Speichel sammelte sich im Mundwinkel des Alten an. Die Unterlippe bebte. Mit einem Wink seiner knochigen Finger bedeutete Yunuen dem Diener schließlich, zu verschwinden. Wie ein Tier trollte der sich zunächst auf allen Vieren vorwärts, ehe er in einen aufrechten Gang verfiel und verschwand.
„Nun gut, wir sind unter uns!“ Der Speichel des Alten lief über dessen Kinn und drohte, herabzutropfen. „Ach! Schon wieder! Da du mich meines Helfers beraubt hast, bleibt mir nichts anderes übrig, als dich zu bemühen“, sagte Yunuen mürrisch und deutete auf den nebenstehenden Tisch; zwischen einem Krug und einigen Bechern lag ein Tuch. Xaman ging hin, um es zu holen. Yunuen reckte das Kinn, damit der andere es abtupfen konnte. Statt diesem Wink nachzukommen, stopfte Xaman ihm das Stück Stoff in die Hand.
„Ich will doch nicht hoffen, dass der hohe Weise neuerdings auch noch unter einer Lähmung seiner Gliedmaßen zu leiden hat?“, bemerkte er spöttisch.
„Du besitzt einen aufsässigen
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