Die italienischen Momente im Leben
VORWORT
Meine Idee, ein Computer und dazu einen guten, starken Espresso. Mehr habe ich nicht gebraucht. Eine explosive, aber kreative Mischung. Aus meinen Notizen, aus Worten, Bildern und Gegenständen, die ich dabei immer vor Augen hatte, fügte sich Kapitel für Kapitel ein lebendiger, abwechslungsreicher und nicht selten amüsanter Kosmos zusammen, von dessen Existenz ich selbst zuvor keine Ahnung hatte. Eine Erfahrung voller Überraschungen.
Meine »italienischen Momente« zu erzählen schien mir eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Und zudem fragte ich mich, wen sollte das schon interessieren?
Aber … warum sollte ich es nicht versuchen? Vielleicht würde am Ende ja etwas ganz anderes dabei herauskommen und mein Thema nur ein Vorwand sein, von den vielen liebenswerten, mitunter skurrilen Menschen zu erzählen, die ich auf meinen Reisen durch Italien kennengelernt habe, und von meiner Heimat? Wie sie einmal war, und was aus ihr geworden ist?
Ich habe diese Momentaufnahmen meines Lebens aus meiner Erinnerung hervorgeholt, sorgfältig zerlegt, sozusagen durch das Mikroskop betrachtet und analysiert. Und mir wurde klar, dass ein persönliches Erlebnis einen manchmal ganz weit bringen kann. Ich habe mit der Suche in meiner Vergangenheit begonnen, und daraus wurde eine lange Reise.
Mit heiterer Wehmut habe ich meine schöne Heimat Italien von oben nach unten, kreuz und quer erforscht. Mit meiner Erinnerung möchte ich die Orte, die Gerüche, die Stimmen dieses Landes für meine Leser mit neuem Leben erfüllen. Dafür habe ich mit dem klassischen Erzählschema gebrochen und die üblichen Regeln missachtet, bin in Raum und Zeit vor- und zurückgesprungen, habe hier zurückgeschaut, dort auf etwas verwiesen und mir das Italien der Klischees vorgenommen. Das Italien von »Pasta, Pizza und Mandoline«, die von vielen verachtete und unmöglich genau zu beschreibende Mentalität der Italiener, dieses riesengroße Freilichtmuseum, das Land, das im Chaos versinkt, so reich an Möglichkeiten, aber dennoch erdrückt von alten, nie gelösten Problemen. Wo eine große Kluft zwischen Norden und Süden besteht und man sich auch nach 150 Jahren Einheit noch schwer damit tut, eine Nation zu sein. Doch diese Unterschiede und Widersprüche sind, wie man weiß, sowohl unsere Stärke als auch unser Fluch. Wir essen vielleicht nicht das Gleiche, aber dafür finden wir beim Reden über das Kochen zusammen. Wie oft unterhalten wir uns über Rezepte: »Also ich mache das so, und du? Meine Schwiegermutter sagt aber, man muss …« Wenn wir könnten, wie wir wollten, würden wir Köche zu Ministern wählen und nicht eine Regierung aus Fachleuten!
Und so stiegen die Erinnerungen an die kleinen Orte in der Provinz auf, die ich auf meinen langen Theatertourneen besuchte, an die Kulturstädte, deren Geschichte ich in zahlreichen Fernsehdokumentationen erzählt habe, an die Filmsets und natürlich die romantischen Ausflüge zu zweit in die verstecktesten und stimmungsvollsten Ecken meines Landes, und begannen, sich vor meinen Augen auszubreiten wie die Kringel und Spiralen aus Dampf, die dem berauschenden Duft meiner Tasse mit heißem Kaffee entströmen.
PS: Im November 2011, während ich das Vorwort zu meinem Buch beendete, gab ich diese kurze Erklärung bei der deutschen Nachrichtenagentur dpa ab:
BERLUSCONI HAT UNS DIE WÜRDE GENOMMEN . Silvio Berlusconi hat den Italienern nach Ansicht von Schauspieler und Werbemann Bruno Maccallini die Würde genommen. Das Ende des Regierungschefs nach achtzehn Jahren sei ein Wendepunkt, sagte der 51-jährige Italiener der Nachrichtenagentur dpa. »Die Italiener sind satt. Meine Freunde, meine Familie sind satt. Berlusconi hat die Italiener verarmt in diesen Jahren. Und was noch wichtiger ist, er nahm ihre Würde – unsere Würde.«
Seit wenigen Wochen hat Italien eine neue Regierung. Sicher, man weiß nie, was die Zukunft bringen wird. Aber das Schlimmste ist vorbei. Nie mehr Bunga-Bunga, es lebe Italien!
Bruno Maccallini
Rom, im Januar 2012
1.
TURIN
1965–2006
Mein Vater liebte Eiscreme; wenn er auch nur von Weitem eines dieser Wägelchen mit den Silberhauben erblickte, stürzte er sich darauf wie ein Falke. An einen der umherziehenden Eishändler erinnere ich mich besonders gern, einen älteren Mann, der seinen dreirädrigen Fahrradkarren – in knalligen Bonbonfarben gehalten wie so viele damals in den Sechzigerjahren – fröhlich vor sich herschob. Normalerweise tauchte er Ende Mai nach
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