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Ort der Angst (German Edition)

Ort der Angst (German Edition)

Titel: Ort der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mala Wintar
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gewährte dem Gottkönig Zugang zum Wissen seiner Ahnen.

 
     
    Kapitel 2
     
    Sobald Ek Balam eintrat, gingen die wartenden Maya-Priester zu beiden Seiten des Raumes auf die Knie. Nur einen Herzschlag später tat Xaman es den anderen gleich und senkte den Blick. Niemand schenkte seinem Zögern Beachtung. Dennoch musste er auf der Hut sein. Selbst eine so unbedeutend scheinende Geste konnte sich rasch als verhängnisvoll erweisen. Daher zwang er sich innerlich zur Ruhe und versuchte, seine Atmung unter Kontrolle zu bringen.
    Als der Halach Huinik durch die Gasse seiner spirituellen Elite schritt, nahmen sie nichts als den Saum seines dunkelroten Mantels wahr, der über den steinernen Boden an ihnen vorüber glitt. Zwei Diener zogen die Vorhänge zur Terrasse beiseite, damit ihr Herrscher hindurchgehen konnte. Ein Luftzug wehte herein und ließ die Flammen der im Raum verteilten Fackeln flackernde Schatten werfen.
    Draußen erscholl tosender Jubel und signalisierte der Priesterschaft, dass es Zeit war, sich wieder zu erheben. In stummer Würde stellten sich die Männer hinter ihrem König auf, während dieser die begeisterten Schreie der Untergebenen von seiner erhöhten Position aus hinnahm. Langsam wandte er den Kopf und ließ den Blick über die Menge schweifen. Dabei zeichnete sich sein markantes Profil scharf vor dem sturmgepeitschten Himmel ab, während der Wind am grünen Gefieder seiner Herrscherkrone zerrte. Tropfen des lange herbeigesehnten Regens perlten an der bronzenen Haut seiner kraftvollen Arme ab. Ek Balams Triumph schien vollkommen und so gab er sich ganz der Euphorie hin, die seiner Person in diesem Augenblick entgegenbrandete.
    Xaman stand dicht hinter ihm und schwankte zwischen Bewunderung und Zweifel. Rein äußerlich verkörperte sein König noch immer den vollkommenen Anführer. Aber wie stand es um seinen Geist?
    Der Herrscher erhob die mit Gold und Jade geschmückten Hände. Augenblicklich verstummte die Menge. Selbst aus weit entfernten Teilen des Hinterlandes waren die Menschen herbeigeströmt, um die Rückkehr ihres Gottkönigs nach seiner langen Abwesenheit zu feiern. Dicht aneinandergedrängt standen sie da; eine wogende Masse erwartungsvoller Gesichter, die danach fieberte, ihm zu lauschen.
    Endlich wurde ihr Warten belohnt; Ek Balam erhob seine Stimme. Er konnte sicher sein, selbst im entlegensten Winkel des Tempelplatzes gehört zu werden; eine akustische Meisterleistung der besten Architekten und Steinmetze des Landes vor langer Zeit. Als würden sie von den Schwingen des Quetzalvogels getragen, flogen seine Worte über die heilige Stätte und führten den Anwesenden erneut das Unglück vor Augen, das über sie hereingebrochen war. Niemand konnte sich erklären, was den Zorn des Regengottes heraufbeschworen hatte. Warum er die Felder hatte vertrocknen lassen, obwohl den Göttern die geforderte Zahl an Kriegsgefangenen dargebracht worden war. Doch Chaac galt schon immer als ausgesprochen launischer Gott. Die gnadenlose Herrschaft der Sonne war ungebrochen geblieben und verbrannte das Land; den Menschen hatten Hunger und Krankheit gedroht.
    Xaman erinnerte sich daran, wie der Halach Huinik sich tage- und nächtelang mit Aufzeichnungen aus vergangener Zeit zurückgezogen hatte, um einen Ausweg zu finden. Dann, eines Nachts, war der Herrscher aus seinen Gemächern gestürmt und hatte den Palast in Aufruhr versetzt, indem er umgehend die gesamte Priesterschaft zusammenrufen ließ. In der anschließenden Versammlung verkündete er mit blutverschmiertem Mund und fieberndem Blick, er müsse Xibalbá betreten, um auf sich alleine gestellt die neunstufige Unterwelt zu durchqueren. So, wie es einst die Brüder Hunahpú und Ixbalanqué taten, um gegen die Götter im Ballspiel anzutreten. Ek Balam beharrte darauf, den heiligen Auftrag von der Visionsschlange selbst erhalten zu haben.
    Xaman fragte sich insgeheim, ob der König aufgrund des übermäßigen Blutverlusts ein Trugbild gesehen haben könnte. Vielleicht war er bewusstlos geworden oder nach so vielen durchwachten Nächten vor Übermüdung über den Schriften eingeschlafen. Xaman schien nicht der einzige zu sein, der diese Möglichkeiten in Betracht zog. Einer der Priester wagte es, vorzutreten und dem Gottkönig zu raten, er solle sich etwas Stärkung und Ruhe und gönnen, anstatt einem Traum zu viel Bedeutung beizumessen.
    Binnen eines Atemzuges entriss der König einem seiner Wächter den Speer und trieb die Waffe durch die

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