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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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die Küche vermutet hatte, hörte er eine Art Rascheln, wieder den Husten und leise Schritte. Draußen zwitscherte in einer rasend schnellen Perkussion ein Vogel, der vielleicht ähnlich beunruhigt war. Joe trat einen Schritt von dem Schreibtisch zurück.
    Als Erstes kam der Schatten. Er fiel aus dem offenen Durchgang auf den staubigen Boden, eine dünne, abgezehrte Schattenklinge. Dann streckte sie sich, schrumpfte, und ein Mann mit einer Waffe in der Hand betrat den Raum.
    Zuerst der Mann: hochgewachsen, dünn, mit leicht hängenden Schultern, so als trüge er normalerweise eine Last, die im Moment nicht zu sehen war. Seine Kleider hingen ihm am Leib, als wäre er schon einmal wohlgenährter gewesen und hätte seither den Appetit verloren. Auch sein Gesicht war lang und dünn. Er war unrasiert. Sein Haar war braun und, wie der Rest des Mannes, dabei, dünner zu werden.
    Die Waffe war ein Single-Action-Revolver: eine Antiquität. In der anderen Hand hielt der Mann ein Poliertuch. Der Pistolenkolben war aus abgegriffenem Silber. Als der Mann Joe sah, blieb er reglos stehen. Seine Augen waren braun und groß in seinem Gesicht.
    Auch Joe bewegte sich nicht. Sein Blick war auf den Revolver gerichtet. Der Mann sagte: »Was machen Sie hier?« »Sind Sie …?«, sagte Joe, und irgendwie drängelten und schubsten sich all die Fragen, die er stellen wollte, in seinem Kopf, und was herauskam, war: »Sind Sie im Begriff, mich zu erschießen?«
    »Was?« Der Mann blickte hinunter auf die Waffe in seiner Hand, als bemerkte er sie erst jetzt. Er legte sie auf das Bücherregal. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich kenne Sie ja nicht mal.«
    »Ich heiße Joe.«
    Der Mann starrte ihn an. »Gut«, sagte er. »Joe.«
    Draußen zwitscherte der Vogel immer noch vor sich hin. Drinnen herrschte eine drückende Hitze. »Also, Joe«, sagte der Mann und kam näher. »Was wollen Sie?«
    »Ich …« Mit zunehmender Nähe des Mannes bemerkte Joe einen vertrauten, widerlich süßen Geruch. Er schien an dem Mann zu haften, oder vielleicht an seiner Kleidung, so wie der Mottenkugelgeruch an einem Anzug, der zu lange eingemottet gewesen war. Er sagte: »Sie sind Mike Longshott.«
    Der Mann blieb neben dem Schreibtisch stehen, die Hand auf der Tischplatte. »Ja …«, sagte er. In seiner Stimme klang Verwunderung mit. »Woher …« Joe sagte: »Woher wissen Sie das?« Wild gestikulierend deutete er mit einer einzigen schwungvollen Bewegung auf die Bücherregale, die Vergelter -Taschenbücher, das unvollendete Manuskript auf dem Schreibtisch.
    Longshott nickte langsam. Joe fiel auf, dass er einen hervortretenden Adamsapfel hatte, der beim Schlucken auf und ab hüpfte. »Bitte«, sagte Longshott. »Nehmen Sie Platz.« Diesmal war er es, der auf die abgewetzten Sessel deutete. »Sind Sie ein Flüchtling?«
    Die Frage schwebte zwischen ihnen, leichter als Luft, unbeantwortet. Dann nickte Longshott wieder, genauso langsam, und sagte: »Ich mache uns ein bisschen Kaffee.«

Der Luxus des Wartens
    Sie saßen einander gegenüber in den Sesseln. Der Kaffee war heiß und süß und brannte Joe auf der Zunge. Er war mit Zimt gewürzt. »In Wirklichkeit«, sagte Longshott, »heiße ich nicht Mike Longshott. Wie Sie zweifellos schon vermutet haben.« Er zuckte die Achseln. »Mein Name ist eigentlich ganz unwichtig«, sagte er. »Ich habe mir Longshott ausgesucht, weil es gut klingt. Wie ein Name, den man auf Taschenbüchern findet.«
    Joe nickte, fand den Kaffee für seinen Geschmack zu süß und nahm einen Schluck kaltes Wasser aus dem Glas, das auf dem Tisch stand. »Stört es Sie, wenn ich rauche?«, fragte er.
    »Überhaupt nicht«, sagte Longshott. »Meine eigene …«, er zögerte, »Pfeife ist im anderen Zimmer.«
    Auch dazu nickte Joe, als hätte er auf genau diese Art von Bestätigung gewartet. Er zog eine Zigarette heraus und zündete sie an. Träge wirbelte der Rauch durch die Luft. Joe schwieg. Er hatte beschlossen, dass er sich den Luxus des Wartens gönnen konnte.
    Longshott saß zusammengefaltet in dem Sessel gegenüber von Joe. Er sah verloren darin aus mit seinen Gliedmaßen, die herausragten wie die einer Marionette, deren Fäden gelockert waren. Er sagte: »Da war eine Frau.«
    Joe lauschte der Stille.

Zunehmender Mond
    Es gab eine Frau – hatte eine Frau gegeben. Damals hatte er als Journalist gearbeitet, erzählte ihm Mike – »Ich heiße wirklich Mike, müssen Sie wissen.« Mit der Zeit hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht –

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