Die Tränen des Herren (German Edition)
Historische Vorbemerkung
Der Orden der Templer wurde wenige Jahre nach dem Ersten Kreuzzug und der Entstehung der Kreuzfahrerstaaten in Palästina gegründet, um den Schutz der Pilger und der Heiligen Stätten zu gewährleisten. Er gliederte sich in Ritterbrüder, die nichtadligen Servienten und Kapläne. Fast zweihundert Jahre lang erfüllte er die Aufgabe der Verteidigung der Christenheit an zahlreichen Fronten. Er gehörte zu den am meisten privilegierten Orden der Kirche, seine Mitglieder dienten Fürsten, Königen und Päpsten nicht nur als Berater und Soldaten, sondern auch als Finanzverwalter. Während dieser Zeit gab es Auseinandersetzungen um Rechte und Privilegien, wie bei den übrigen geistlichen Gemeinschaften auch. Die Templer standen in keinem schlechten Ruf, als der französische König Philipp IV. im Herbst 1307 einen Befehl erließ, der das mittelalterliche Weltgefüge erschüttern sollte: Verbunden mit der Anklage der Ketzerei und diverser unsittlicher Praktiken ließ er mit staatstreichähnlicher Planung am 13. Oktober sämtliche Mitglieder des Templerordens in den ihm unterstehenden Gebieten festnehmen und ihre Güter beschlagnahmen. Bereits der Verhaftungsbefehl des Königs sagte unmissverständlich, dass mit allen Mitteln schnellstmöglich Geständnisse erbracht werden sollten. Dieses erste Verfahren des Prozesses, das von den königlichen Beamten durchgeführt wurde, entbehrte jeglicher Rechtsgrundlage, selbst nach den Gesetzen der Inquisition. Nichts desto weniger bestimmten die in seinem Verlauf gewonnenen Geständnisse den Fortgang und schließlich Ausgang des gesamten Prozesses, denn die Zeugen wurden immer wieder auf ihre ersten Aussagen verpflichtet und man drohte ihnen bei Widerruf mit dem Scheiterhaufen. Aus diesem Teufelskreis war praktisch kein Entrinnen mehr möglich. Kurz nach der Befragung durch die königlichen Beamten wurde das zweite Verfahren eingeleitet, diesmal unter dem Vorsitz der französischen Inquisition, jedoch eingestellt, nachdem Papst Clemens gegen das Vorgehen in dieser Sache protestiert hatte. Im Sommer 1308 fand das dritte Verfahren des Templerprozesses statt, mit dem Ziel, den widerstrebenden Papst zu einem Vorgehen gegen den Orden zu veranlassen. Hierbei wurden 72 durch die Agenten des Königs ausgewählte Templer aus dem ganzen Königreich dem Papst und einer Kardinalskommission vorgeführt, und außerdem die obersten Würdenträger des Ordens, inhaftiert in der königlichen Burg von Chinon, befragt. Die Verpflichtung aller Zeugen auf ihre früheren Geständnisse machte wahrheitsgemäße Aussagen nicht möglich. Papst Clemens schien nach dieser Farce in Poitiers überzeugt von einer Schuld des Ordens. Er hob die Suspension der Inquisition wieder auf, erklärte damit die von ihr gewonnenen Geständnisse für rechtmäßig und ordnete ein Vorgehen gegen die Templer im gesamten Abendland an. In den einzelnen Bistümern und Erzbistümern sollten Provinzialkommissionen die auf ihrem Gebiet festgesetzten Templer verhören. Die so genannte Generalkommission, deren Ziel es sein sollte, gegen den Orden als Gesamtheit zu untersuchen, konstituierte sich - ausgerechnet - in Paris. Ihre Mitglieder waren Gilles Aycelin, Erzbischof von Narbonne, Guillaume Durant, Bischof von Mende, Raynald de Laporte, Bischof von Limoges, Guillaume de Trie, Bischof von Bayeux, Matthäus von Neapel, Apostolischer Notar, Johannes von Mantua, Erzdiakon von Trient, Jean de Montlaur, Erzdiakon von Maguelonne und Guillaume Agarni, Propst des Domkapitels von Aix-en-Provence. Nicht allein die Templer, sondern alle Personen, die eine Aussage machen wollten, wurden diesmal durch öffentliche Zitation vor die päpstliche Kommission geladen. Zum ersten Mal seit Beginn des Prozesses ist auch eine Verteidigung ausdrücklich eingefordert. Als problematisch in den folgenden Monaten erwiesen sich neben den beständigen Behinderungen bei der Veröffentlichung der Vorladung vor allem die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Generalkommission und Provinzialkommissionen. Es dauerte mehrere Monate, ehe die ersten Templer als Zeugen in Paris erschienen. Die erhaltenen Prozessprotokolle vermerken schließlich über 500 Ordensbrüder, die ihre Bereitschaft zur Entlastung des Ordens erklären, Beschwerdebriefe einreichen und ein rechtmäßiges Verfahren fordern. Die Kommission entschied aufgrund ihrer großen Zahl, dass sie Vertreter wählen sollten. Sie ernannten Pietro di Bologna, früher Prokurator des
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