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Oscar

Oscar

Titel: Oscar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Dosa
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Ich sah Mary an und hob die Augenbrauen. Ob Oscar uns wohl etwas sagen wollte?
    Ich war bereit, ihm zuzuhören.
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    Nachwort
    W ie viele der Angehörigen, die ich während meiner Recherchen aufgesucht habe, bin ich dankbar für das, was Oscar tut und was er uns über das Ende des Lebens beibringen kann. Es bleibt jedoch eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird: »Wie tut er das eigentlich?«
    Dazu fällt mir ein Telefonanruf ein, den ich erhielt, kurz nachdem mein Aufsatz über Oscar im
New England Journal of Medicine
erschienen war. Mein Gesprächspartner stellte sich mir als Weltkriegsveteran aus Florida vor. Im Krieg sei er Sanitäter gewesen, und zu seinen Aufgaben habe es gehört, verwundete Soldaten zu bergen.
    »Doktor, nachdem ich einige Monate lang Kameraden vom Schlachtfeld geholt hatte, konnte ich sagen, ob jemand sterben oder überleben würde«, erzählte er. »Wenn einer starb, dann ging von seinem Körper ein süßlicher Geruch aus. Bei jemandem, der überlebt hat, habe ich das nie gerochen.«
    Für diesen »süßen Geruch des Todes« gibt es eine plausible biologische Erklärung. Wenn Zellen absterben, zerfallen die darin enthaltenen Kohlenhydrate in viele verschiedene, Sauerstoff enthaltende Verbindungen. Dazu gehören mehrere Arten von Ketonen, chemischen Verbindungen, die für ihren angenehmen Duft bekannt sind. In großer Menge findet man sie auch bei nicht behandeltem Typ- 1 -Diabetes. Schon im Medizinstudium bekommt man beigebracht, wie man am Atem von Diabetikern schnuppern kann, um zu bestimmen, ob ihr Blutzuckerspiegel hoch ist. Riecht Oscar also einfach eine chemische Verbindung, die vom Körper vor dem Tod in stärkerem Maße gebildet wird? Auf jeden Fall besitzen viele Tiere einen Geruchssinn, der dem des Menschen bei weitem überlegen ist.
    Die Autoren einer Studie, die 2006 in einer führenden Fachzeitschrift zum Thema Krebserkrankungen veröffentlicht wurde, stellen die These auf, man könnte Hunde dazu abrichten, mikroskopische Mengen bestimmter Biomoleküle zu identifizieren, die von den Krebszellen von Lungen- und Brustkrebspatienten ausgeschieden werden und im Atem dieser Patienten enthalten sind. In ähnlichen Studien wird von Hunden berichtet, die Melanome erschnüffeln können, und von Fischen, anhand deren Verhalten man Erdbeben vorhersagen kann. Oscar wiederum lebt auf einer Station, auf der regelmäßig Patienten im Endstadium der Demenz sterben. Ist es da so abwegig, dass er gelernt hat, einen speziellen Geruch wahrzunehmen, der in den letzten Lebensstunden der Patienten von diesen ausströmt?
    Allerdings habe ich den Eindruck, dass Oscar mehr ist als nur ein Frühwarnsystem für Ketone. Seit ich als Kind gespannt meinem Großvater gelauscht habe, wenn er mir vor dem Schlafengehen aus Rudyard Kiplings
Geschichten für den allerliebsten Liebling
vorlas, messe ich Tieren gern menschliche Eigenschaften und Schwächen bei. Vielleicht sehen wir uns einfach in ihnen, und manchmal sehen wir dann das Beste in uns.
    Auf einer Station, auf der das Personal sich jede nur erdenkliche Mühe gibt, den Patienten und ihren Angehörigen die Erfahrung des Sterbens erträglich zu machen, verkörpert Oscar Empathie und Kameradschaft. Er ist ein wichtiger Bestandteil eines engagierten, gut funktionierenden Pflegeteams. Als Arzt ist es meine Aufgabe, die geeigneten Medikamente zu verschreiben und die Angehörigen zu beraten; es ist die Aufgabe des Pflegepersonals, die Patienten optimal zu versorgen; verschiedene Geistliche sind dazu da, Patienten und Angehörigen spirituellen Beistand zu leisten; und es ist Oscars Aufgabe, in den letzten Stunden als Gefährte zu dienen. Dadurch gehört er eindeutig zum Team, und seine Anwesenheit tröstet die Angehörigen ebenso wie die Patienten. In manchen Fällen ist er allerdings das einzige Familienmitglied, das dem Patienten noch geblieben ist.
    Ich will gar nicht behaupten, ich wüsste Bescheid, worin Oscars besondere Gabe genau besteht. Schließlich bin ich kein Zoologe und habe sein Verhalten auch nicht eingehend wissenschaftlich studiert. Ob er von einem verfeinerten Geruchssinn motiviert wird, von einer speziellen Empathie oder von etwas völlig anderem, weiß ich nicht. Aber ich glaube, wir alle können von seinem Beispiel etwas lernen.
    Meine Gespräche mit den Angehörigen verstorbener Patienten waren zwar dazu gedacht, mir Einblicke in Oscars Verhalten zu vermitteln, aber letztendlich habe ich dabei weniger über

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