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Ostfriesengrab

Ostfriesengrab

Titel: Ostfriesengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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bekamen, zunächst aggressiv. Andere fingen an zu lachen, redeten
alltägliches Zeug daher oder schalteten das Fernsehgerät ein. Einmal hatte sie sogar erlebt, dass jemand seinen Heimtrainer hervorgeholt hatte und mit sportlichen Übungen begann.
    Erst langsam sickerte so eine Nachricht in die menschliche Seele hinein. Es dauerte manchmal Tage, bis der Schmerz jemanden wirklich erfasste. Bei Mareike Hennings Vater war es jetzt so weit.
     
    In den Akten las sich das alles kühl, sachlich, ja unspektakulär. Die Emotionen waren raus, es war Papier geworden. Ann Kathrin war froh, im Büro aus der aufgeheizten Stimmung heraus zu sein und sich dem Fall sachlicher widmen zu können.
    Ihre Nase spielte immer noch verrückt. Sie hatte bereits die zweite Packung Papiertaschentücher aufgebraucht. Ihre Augen tränten, und Weller gab ihr mit einer zarten Anspielung den Tipp, für heute Feierabend zu machen.
    »Du hast die Nase voll, Ann«, lächelte er. »Mach Feierabend. Du hast eh noch mehr als hundert Überstunden abzufeiern.«
    Weller machte sich einen doppelten Espresso. Ann Kathrin lehnte ab. Sie trank ein Glas heißes Wasser. Sie hatte das Gefühl, das könnte ihr jetzt guttun.
    Nach Lage der Akten hatte alles ganz harmlos angefangen. Mareike Henning hatte am Sonntagmorgen mit ihrer Freundin Silke Beewen einen Ausflug nach Norddeich gemacht. Sie parkten direkt am Deich in der Nähe vom Diekster Köken, um einen Spaziergang am Meer zu machen. Neben ihnen stand ein schwarzer Porsche. Als Mareike Henning ausstieg, kam der Fahrer des Fahrzeugs, Herr Meuling, und beschimpfte sie, sie habe beim Aussteigen mit der Tür sein Fahrzeug beschädigt. Mareike Henning bestritt diese Behauptung, außerdem sei ja sein Fahrzeug deutlich sichtbar unbeschädigt. Sie habe seinen Wagen nicht einmal berührt.
    Silke Beewen nahm das Ganze auch in Augenschein. Die beiden Frauen empfanden Herrn Meuling als recht aggressiv und schlugen schließlich vor, doch die Polizei zu rufen, wenn er glaube, dass sie etwas beschädigt hätten. Die Polizei würde zweifellos sofort feststellen, dass kein Schaden entstanden sei.
    Daraufhin entfernte sich Herr Meuling.
    Die beiden Freundinnen gingen am Deich spazieren, und als sie nach einer knappen Stunde zurückkamen, klebte an Mareike Hennings Wagen ein Zettel, sie möge bitte Herrn Dieter Meuling in Duisburg anrufen, um ihm einen Vorschlag zu unterbreiten, wie sie sich die Schadensregelung vorstelle. Daneben die Handynummer von Meuling.
    Mareike Henning nahm das nicht ernst. Eine Woche später erschienen bei ihr zwei Polizeibeamte aus Norden, denn Dieter Meuling hatte inzwischen die Polizei um Mithilfe gebeten. Sein Wagen sei beschädigt worden, Frau Henning hätte Fahrerflucht begangen. Er hätte aber ihr Kennzeichen notiert. Die Beamten kamen, weil Mareike Henning wegen Fahrerflucht angezeigt worden war.
    Glücklicherweise war an diesem Abend die Freundin, Silke Beewen, ebenfalls anwesend. Auch Peter Henning befand sich im Haus.
    Mareike Henning stellte fast ein bisschen belustigt fest, dass Fahrerflucht immer nur der begeht, der wegfährt, nicht der, der bleibt. Dies sei ein Prinzip von Flucht. Der schwarze Porsche sei weggefahren, sie selbst habe dort ihr Fahrzeug stehen lassen und sei am Deich spazieren gegangen. Von Fahrerflucht könne also gar keine Rede sein.
    Die Beamten gaben sich damit zufrieden und baten Frau Henning, sich mit Herrn Meuling in Verbindung zu setzen. Frau Henning schrieb ihm einen Brief, in dem sie noch einmal erklärte, sie habe keinen Schaden verursacht und deshalb wolle sie auch keinen begleichen. Sie äußerte sich natürlich sehr befremdet
darüber, warum Herr Meuling ihr zwei Polizeibeamte ins Haus geschickt habe.
    Wenige Tage später erhielt Mareike Henning aus Duisburg von Herrn Meuling einen Brief, in dem er sie aufforderte, zweihundertsechzig Euro an ihn zu zahlen, damit sei der Schaden erledigt.
    Sie lehnte das ab. Daraufhin erhielt sie einen Einschreibebrief aus Berlin, Absender Pjotr Sidorov, aus 10117 Berlin-Mitte, Markgrafenstraße 13 . In dem Brief bezeichnete Herr Sidorov sich als Inkassobeauftragter und schrieb wörtlich, bei Nichtzahlung könne Mareike Henning »todsicher davon ausgehen«, dass die Kommunikation mit ihr in einer Sprache fortgesetzt werde, die sie dann auch verstehe. Die Zahlung müsste bis zum 15 .April eingegangen sein. Angegeben war die Kontonummer von Herrn Meuling aus Duisburg. Bezeichnenderweise hatte das Inkassobüro von Herrn Sidorov

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