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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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sie mit einer Spange am Hinterkopf zusammen. Sie hörte auf, Make-up zu benutzen. Lediglich die dunklen Ränder unter den Augen schminkte sie kurz mit einem Abdeckstift weg.
    Ann Kathrin fischte den Ausdruck aus ihrer Handtasche. Sie unterdrückte den Impuls, das Papier zu zerreißen. Sie bemühte sich jetzt, es wie ein Beweisstück zu betrachten. Dann lenkte sie den Twingo aus der Parklücke und versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
    Sie stand unter Hochdruck. Sie kannte Möglichkeiten, solchen Stress abzubauen. Aber jetzt wollte sie das nicht. Sie hoffte, so genug Wut und Power für die eigentliche Konfrontation zu haben. Diesmal würde sie sich von seiner Weichspülerstimme nicht einlullen lassen. Diesmal sollte es voll zur Sache gehen.
    Zunächst fuhr sie über die Störtebekerstraße in Richtung Norden, den Deich immer rechts neben sich in Sichtnähe. Doch dann fühlte sie sich noch nicht stark genug für die Auseinandersetzung. Sie redete sich ein, sie müsse noch einmal Luft schnappen und ihrem Sohn Eike die Chance geben, einzuschlafen. Er sollte nichts von dem drohenden Unheil mitbekommen.
    Sie bog in Richtung Hage ab und fuhr zum Meerhusener Moor. Hier am Rand des Naturschutzgebietes ließ sie den Wagen stehen und spazierte durch fast völlige Dunkelheit zum kleinen Eversmeer hin. Zunächst hatte sie noch keinen festen Boden unter den Füßen. Später dann, als sie tiefer ins Gebiet um das Ewige Meer eindrang, führte sie der Eichenbohlenweg hinein in die Stille des Moors. Endlich erreichte sie die Aussichtsplattform am See. Hier saß sie eine Weile und tat nichts.
    Dann erhob sie sich mit einem tiefen Seufzer, reckte sich, als habe sie lange geschlafen und entschied, dass sie nun so weit sei.
    Gern wäre sie noch ein bisschen weiter ins Moor gegangen, doch zu ihrem eigenen Schutz blieb sie auf den Holzbohlen. Um diese Zeit hatte man hier keine Hilfe zu erwarten. Das Moor konnte tückisch sein. Genau wie das Wattenmeer.
     
    Eine günstige Schussposition bot sich, als Alexa Guhl im Wohnzimmer zwei Kerzen anzündete und Ulf Speicher gut gelaunt eine Weinflasche entkorkte.
    Alexa konnte sich gar nicht mehr daran erinnern, wann sie sich zum letzten Mal so frei gefühlt hatte, so eins mit sich und ihrem Körper.
    Da klingelte es an der Tür. Beide stoppten mitten in der Bewegung und sahen sich an. Alexa machte ein enttäuschtes, ja, erschrockenes Gesicht. Ihre größte Angst war, gleich vor einer anderen Frau zu stehen. Seiner Ehefrau oder Lebensgefährtin. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass sie seine genauen Lebensumstände überhaupt nicht kannte. Sie wusste nur, dass er Ulf Speicher war. Der Gutmensch. Mit einem Riesenherz für Behinderte und deren Angehörige und genügend Durchsetzungsvermögen, um in diesen schweren Zeiten eine Organisation wie den Regenbogen-Verein durch die Klippen der sozialen Kürzungen zu schiffen.
    Ulf Speicher legte den Zeigefinger über seinen Mund, schüttelte den Kopf und blies die Kerzen aus. Auf keinen Fall würde er jetzt öffnen. Niemandem.
    Der unangemeldete Besucher vorn an der Tür verschaffte Speicher noch einmal einen kurzen Aufschub.
     
    Als müsste Ann Kathrin Klaasen sich selbst beweisen, dass sie nun bereit war, die Auseinandersetzung zu suchen, übertrat sie die Geschwindigkeitsbegrenzung bewusst. Rechts neben ihr lag der Bahnhof. Eine einsame Taxe wartete davor.
    Taxi van Hülsen. 2-1-4-4.
    Der Pfeifenraucher nickte ihr freundlich zu. Er hatte sie im letzten Jahr ein paar Mal abgeholt, wenn sie von Fortbildungsmaßnahmen in Hannover oder Oldenburg spät nachts mit dem Zug zurückgekommen war.
    Sie fuhr am liebsten mit dem Auto nach Norden. Der Bahnhof hatte immer etwas Trostloses an sich, besonders, wenn die letzten Touristenströme versiegt waren. An den staubblinden Scheiben erzählte ein altes Werbeplakat, dass man hier einst Dart spielen und Kaffee trinken konnte. Jetzt war sogar der Automat abgebaut, an dem man im Sommer Getränke und Süßigkeiten ziehen konnte.
    Wenn man mit dem Auto über die B 72 auf die Bahnhofstraße kam, wirkte Norden dagegen einladend. Direkt am Ortseingang der Esoterik-Laden. Draußen ein Schild: Reiki. Was immer das war, Ann Kathrin fand es sympathischer als mit Marlborowerbung empfangen zu werden.
    Links und rechts je eine Windmühle. Sie fuhr dazwischen hindurch wie durch ein Stadttor. Der Anblick dieser Mühlen ließ sie gleich tiefer atmen, als könne sie das Meer bereits riechen.
    Dann die Riesen-Doornkaatflasche.

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