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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Die nahm sie jedes Mal ganz bewusst wahr. Andere Städte hatten Reiterdenkmäler. Irgendwelche Könige oder Feldherren. Norden hatte die Doornkaatflasche. Sie belächelte dieses grüne Monstrum. Es erinnerte sie jedes Mal daran, dass Doornkaat der Lieblingsschnaps ihres Vaters gewesen war. Im Eisfach hatte immer eine Flasche gelegen. Daneben zwei gefrorene Gläser.
    »Doornkaat«, hatte ihr Vater verkündet, als sei es eine tiefe philosophische Weisheit, »muss man kalt trinken: Eiskalt!«
    Sehr zum Leidwesen ihrer Mutter, denn damals besaßen sie noch keine Tiefkühltruhe, nur dieses kleine Gefrierfach im Kühlschrank, und die Doornkaatflasche füllte es zur Hälfte aus.
    Ann Kathrin Klaasen trank selten Schnaps, aber wenn, dann einen eiskalten Doornkaat. Sie bewahrte Flasche und Gläser an der gleichen Stelle auf wie einst ihr Vater. Wenn sie sich – genau wie er früher – im Stehen vor dem Kühlschrank einen eingoss und ihn runterkippte, dann sagte sie jedes Mal: »Prost, Paps.«
    »Hast du Kummer mit den deinen, trink dich einen!« Dieser Satz von ihm, ironisch lächelnd auf seine Kohlenpottvergangenheit anspielend ausgesprochen, gehörte auch zu seinen viel zitierten Lebensweisheiten. Er, der verdammt viel Kummer im Leben gehabt haben musste, war aber nie zum Trinker geworden. Zäh und grimmig kämpfte er den Kampf des Lebens bis zum Schluss.
    Wenn sie vor dem Kühlschrank stehend das gefrorene Glas an die Lippen führte, dann gab es immer Ärger wegzuspülen. Dann hatte sie zu viel zu lange geschluckt und den Mund gehalten. Dann platzte sie innerlich fast.
    Das warme Gefühl des Alkohols breitete sich jedes Mal wohlig in ihr aus. Sie schüttelte sich dann und stöhnte, als würde sie alle fremden Energien abschütteln, die nach so einem Tag an ihr klebten wie der Matsch an ihren Schuhen. Es war für sie wie ein Ritual.
    Sie stellte das Glas immer in Augenhöhe auf dem Kühlschrank ab, wie ihr Vater es so gern hatte. Sie liebte es, das Glas anzuschauen, auf dem die Wärme ihrer Fingerspitzen Spuren hinterlassen hatte. Sie stand dann meist noch einen Moment still und sah zu, wie die Zimmertemperatur die Kristalle auf dem Glas zu Tropfen schmolz, die langsam wie silbrige Schnecken daran herunterkrochen. Es war ein meditativer Moment.
    Danach war sie jedes Mal wieder bereit, sich der Welt zu stellen. Ann Kathrin Klaasen, die Kämpferin. Ann Kathrin Klaasen, die Unerschrockene.
    So könnte sie sich vermutlich sogar heute wieder in den Griff bekommen. Aber genau das wollte sie nicht. Dies war nicht der Tag, um etwas herunterzuspülen und ins Gleichgewicht zu bringen. Heute wollte sie eine Entscheidung. Danach dann vielleicht den Schnaps. Vielleicht …
    Ihr Haus lag im Norden von Norden, im sogenannten Getreideviertel. Keine tausend Meter Luftlinie vom Deich entfernt. Sie fuhr am Kornweg vorbei und bog in den Haferkamp ab. Je näher sie ihrem Haus kam, umso schneller schlug ihr Herz.
    Der Mond hing fast über ihrem Haus, als ob ihr das Universum so den Weg zeigen wollte. Sie lenkte ihren Twingo im Distelkamp Nummer 13 auf die große Auffahrt.
    Der Wind hatte gedreht. Es war, als würden ihr die Köpfe der Tulpen im Vorgarten zunicken.
    Sie parkte vor der Garage. Heros Wagen war schon drin.
    Der Gedanke, dass sie es genau so machen würde, wenn sie in diesem Haus einen Mörder zu verhaften hätte, huschte durch ihren Kopf. Seine Garage war jetzt zugeparkt. Er konnte mit dem Auto nicht raus. Zunächst mussten einem gefährlichen Verbrecher die Fluchtwege abgeschnitten werden. Nach ihrer Erfahrung ergaben sich selbst die härtesten Jungs, wenn sie keine Chance mehr sahen, davonzukommen.
    Obwohl Ann Kathrin Klaasen direkt bei der Haustür ausstieg, betrat sie die Wohnung nicht durch den Haupteingang, sondern durch die Garage. Das Licht dort ging automatisch an. Sie beugte sich an der Fahrerseite in Heros blauen Renault Megane, zog ihr Notizbuch aus der Handtasche und schrieb den Tachostand auf.
    Sie schnüffelte am Beifahrersitz herum. Nein, ein fremdes Parfum konnte sie nicht ausmachen. Doch die Zahlen auf dem Tacho sagten ihr genug.
    Ann Kathrin straffte ihren Körper und zupfte an ihrer Kleidung herum. Sie räusperte sich wie eine Opernsängerin, die vor dem großen Auftritt befürchtet, dass ihre Stimme versagt. Dann erst betrat sie das Haus.
    Sie holte tief Luft und schritt der Auseinandersetzung entgegen.

Donnerstag, 28.April, 21.32 Uhr
    Ulf Speicher knipste das Licht an und ging noch einmal in die Küche, um

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