Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
es nur noch dieses Mädchen oder uns! Entscheide dich.«
Und ich entscheide mich, greife nach dem Bügel. Ein Küchenhandtuch und ein Seil stecke ich vorsorglich auch noch ein.
»Du musst durchhalten, Tamara. Gleich kommt ärztliche Hilfe«, versichere ich ihr, als ich sie fünf Minuten später zum Eingang des Hallenbades schleppe. Sie ist viel schwerer als erwartet. Ich besitze einen Schlüssel zur Schwimmhalle, den ich mir mal habe nachmachen lassen. Die Pumpe ist so oft defekt, da lohnt es sich, vorbereitet zu ein. Dass wir hier nicht im Krankenhaus sind, merkt Tamara trotzdem. Vielleicht denkt sie, ich habe einen Arzt herbestellt? Ich trage sie fast den ganzen Gang entlang. Es riecht nach Chlor, und die Luft ist warm.
»Wo sind wir? Was soll das?«, murmelt sie undeutlich. Sie hat Mühe, die Worte zu formen. Eveline hat recht, sie stirbt sowieso. Warum soll sie sich lange quälen? Als ich meinen Griff lockere und sie auf dem gekachelten Fußboden einer der Umkleiden ablege, wimmert sie leise.
»Gleich hast du es geschafft«, flüstere ich und sehe mich um. Ein Plan, ich brauche einen Plan! Ein paar Dinge zurechtlegen, an alles denken. Ich muss ihr die Unterhose und die Schuhe ausziehen. Ihre Strumpfhose hat sie vorhin zum Glück gar nicht wieder angezogen. Ich treffe die nötigen Vorkehrungen, damit es so aussieht, als hätte sie selbst Hand an sich gelegt. Als das erledigt ist, gehe ich auf Socken ins Schwimmbad und suche nach etwas, mit dem ich sie beschweren kann. Da, der Metallkorb, in dem die Schwimmwesten aufbewahrt werden! Ich bringe ihn neben dem tiefen Becken in Position und ziehe das Seil hindurch. Dann gehe ich zu Tamara zurück, nehme sie auf den Arm und trage sie in die Schwimmhalle. Sie kommt kurz zu sich, als ich sie am Beckenrand zu Boden gleiten lasse, und sieht mich hoffnungsvoll an – so lange, bis ich das Seil um ihre Brust schlinge. Als ich es auch um ihren Hals lege, fängt sie an zu zappeln. Sie versucht, sich von mir wegzudrehen, doch sie ist schon zu schwach, um ernsthaft Gegenwehr zu leisten. Endlich habe ich das Seil an ihr befestigt. Ich stehe auf und schaue auf sie hinunter. Ein Albtraum, das alles.
»Sieh mich nicht so an, Tamara. Ich kann nichts dafür. Das habe ich nicht gewollt.« Ich bin mir nicht sicher, ob sie mich überhaupt noch hören kann. Sie liegt reglos da. Vielleicht ist sie auch schon tot? Nein … Ich beuge mich zu ihr runter und schiebe sie in Richtung Beckenrand. Als ich sie umdrehe und sie in das tiefe Becken sieht, scheint ihr klar zu werden, was ich vorhabe. Sie versucht, sich am Beckenrand festzuhalten, aber ihre Finger lassen sich leicht von den Kacheln lösen. Ich will ihr nicht wehtun. Mach es dir nicht so schwer, denke ich. Mach es mir nicht so schwer!
Ich stoße sie nach vorn. Den schweren Korb werfe ich hinterher. Das sollte reichen. Es kommt mir irreal vor, wie ihr Körper immer tiefer in das Wasser sinkt. Nun gibt es kein Zurück mehr. Ich sehe, wie Tamara versucht, mit den Armen zu rudern, als wollte sie mir zuwinken. Ihre Augen sind aufgerissen … und dann auch ihr Mund. Eine Luftblase steigt daraus auf. Dann noch eine. Sie ist jetzt unten am Beckengrund und starrt mich an.
Wie lange soll das denn noch dauern? Ich kann doch nichts dafür! Es musste sein. Ich wende mich ab.
Nachwort der Autorin
W ie immer sind alle Personen und Ereignisse in diesem Roman Fiktion. Falls ich aus Versehen einen realen Namen erwischt habe oder sich tatsächlich etwas Ähnliches in der geschilderten Umgebung zugetragen haben sollte, ist das reiner Zufall und nicht von mir beabsichtigt.
Für die Hilfe bei meinen Recherchen möchte ich wieder einmal ganz vielen Leuten danken: Ich hatte das Glück, von Heike Beermann durch die Blomenburg geführt zu werden, welche, rein äußerlich betrachtet, als Vorbild für die Uhlenburg im Roman fungiert hat. Die Beschreibungen, wie es zur Zeit des Landeserziehungsheims auf der Blomenburg ausgesehen hat, haben mir sehr geholfen.
Meine Fragen zur Stadtbibliothek Lübeck hat mir Renate Weigel beantwortet und mich durch die wunderschönen alten Säle geführt. Solveigh Halby, als Angestellte der Stadtbibliothek, ist aber genau wie alle anderen Romanfiguren ein erfundener Charakter. Auch die kleine Gruppe von Umweltaktivisten, die sich im Roman gegen die Sportveranstaltung wendet, ist eine reine Erfindung meinerseits. Orientierungsläufe auf dem Priwall gibt es hingegen tatsächlich. Ich hatte das Glück, im Januar 2009 selbst an
Weitere Kostenlose Bücher