Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
die Nacht gefahren sind. »Ich bin stolz auf dich.«
Sie öffnet kurz die Augen. »Mir tut der Bauch weh.«
»Na ja, das war wahrscheinlich zu erwarten.« Sie muss es erst verarbeiten. Ich konnte es ihr nicht vorher sagen. Eveline hatte mich ausdrücklich davor gewarnt.
»Ich habe Krämpfe. Und die Frau hat nicht mal richtige Instrumente benutzt«, jammert Tamara.
Ich hasse es, wenn Frauen in diesem Ton mit mir reden. Glaubt sie etwa, mir macht das alles Spaß? »Ach ja? Denk doch mal nach! Warum ist das wohl so? Sie hatte keine speziellen Instrumente, weil schon der Besitz strafbar wäre.«
»Wenn herauskommt, was wir getan haben, kriegen wir Ärger«, sagt Tamara anklagend und stöhnt wieder. Langsam verliere ich die Geduld mir ihr.
»Ich hab nichts getan«, sage ich, um das ein für alle Mal klarzustellen. Ich schalte noch einen Gang hoch. Sie jammert leise. Keine Widerstandskraft, keine innere Stärke, denke ich. Oder schlechtes Blut? Sie kann ja nichts dafür. »Vergiss es einfach, okay? Alles wird gut«, sage ich.
»Es tut ganz grässlich weh, Martin. Und es wird überhaupt nicht besser. Ich glaube, ich blute ziemlich stark.«
»Wie stark?«, frage ich alarmiert. Blutflecken in meinem Wagen sind das Letzte, was ich brauchen kann.
»Ich weiß nicht. Ziemlich stark eben.«
Verdammt! »Was meinst du, wofür der Tee gut ist«, fahre ich sie an. »Ich bring dich jetzt nach Hause, und du ruhst dich aus und trinkst den Tee. Dann hört das auf.«
»Ich weiß nicht, Martin …« Trotz der voll aufgedrehten Autoheizung zittert sie. Ihr Gesicht ist gespenstisch blass. Eveline hatte mir doch versichert, der Eingriff sei unkompliziert. So etwas würde jeden Tag gemacht werden.
Tamara wirft sich im Sitz hin und her, während ich schnell – viel zu schnell – den Wagen zurück in Richtung Kargau lenke. »Ich glaube, da ist was schiefgegangen, Martin«, sagt sie plötzlich mit schriller Stimme. »Es geht mir gar nicht gut.«
»Das wird gleich besser«, beschwichtige ich sie. »Du musst jetzt als Erstes aus dem Auto herauskommen. Du musst dich hinlegen und entspannen. Eine Schmerztablette nehmen und vor allem den Tee trinken, den sie dir mitgegeben hat.«
»Meinst du? Es tut so verdammt weh.« Sie schluchzt.
Sie stellt sich an, denke ich. Keiner hat behauptet, dass es ein Spaziergang wird. Ich bin genervt. »Es war ein medizinischer Eingriff. Aber eine Geburt ist tausend Mal schlimmer«, sage ich etwas zu laut. Ich rede gegen die Beklemmung an, die immer drückender wird.
»Mir ist so kalt!«, klagt sie. Ihre Arme zittern und auch ihre Beine. »Und mir wird schwindelig.«
»Mach die Augen zu und entspann dich«, sage ich. »Hab keine Angst, ich kümmere mich um alles.« Aber ich ahne schon, dass ich das nicht kann. Eveline wird wissen, was zu tun ist. Das alles war ihre Idee. Ich kann Tamara so nicht wie geplant zum Heim zurückbringen. Ich will sie loswerden, aber sie sieht nicht so aus, als könnte sie überhaupt noch allein gehen. Wie ferngelenkt fahre ich zu mir nach Hause. Hoffentlich ist Eveline schon aus Husum zurück! Ich halte hinter dem Haus und klopfe an die Küchentür. Tamara dämmert auf dem Beifahrersitz vor sich hin. Sie bekommt nicht mehr mit, was vor sich geht. Als ich Eveline erkläre, was passiert ist, wird sie wütend. Sie sagt, dass das Mädchen verschwinden muss.
»Ich kann sie so aber nicht ins Heim zurückbringen«, wende ich ein. »Sie braucht einen Arzt.«
Eveline entgegnet: »Untersteh dich! Denk endlich auch mal an uns! Der Skandal. Du wanderst ins Gefängnis, wenn das alles herauskommt. Und was wird dann aus mir? Aus Julia und Sven?«
»Ohne Hilfe stirbt sie. Kannst du nichts für sie tun?«
»Da kann man gar nichts tun. Verpfuscht ist verpfuscht. Entweder stirbt sie am Schock, oder sie verblutet. Aber ich weiß, wie du unbeschadet aus der Geschichte herauskommst. Hör mir genau zu: Du fährst jetzt mit dem Mädchen ins Schwimmbad vom Heim und lässt es so aussehen, als hätte sie den Abbruch dort selbst vorgenommen.« Sie verschwindet kurz in der Diele und kommt mit einem Kleiderbügel aus Draht zurück. »Hier, den wirst du brauchen. Dann musst du sie ins Wasser bekommen. Sie stirbt sowieso, es ist eine Erlösung. Und man wird denken, sie hätte sich nach dem missglückten Eingriff umgebracht. Ein Selbstmord, verstehst du? Das ist deine einzige Chance.«
»Eveline. Das kann ich nicht. Sie ist fast noch ein Kind!«
»Das hättest du dir eher überlegen müssen. Jetzt gibt
Weitere Kostenlose Bücher