Ostseefluch
mit sanfter Stimme auf.
Irma Seibel starrte die Polizisten immer noch an. Pia sah förmlich, wie sie im Geiste verschiedene Proteste formulierte und wieder verwarf.
»Es ist schon okay, Irma«, murmelte Patrick.
»Na gut. Ich muss sowieso los – Zoe abholen«, sagte sie und verließ den Raum.
Patrick Grieger war achtundzwanzig Jahre alt und wohnte seit März in dem Haus in der Nähe von Weschendorf. Er gab vor laufendem Aufnahmegerät an, in Kiel im siebten Semester Biologie zu studieren. »Ich bin nicht mehr jeden Tag an der Uni«, sagte er. »Deshalb hab ich meine teure Bude in Kiel auch aufgegeben. Hier muss ich nicht so viel Miete zahlen. Stattdessen packe ich beim Renovieren mit an. Na ja, immer, wenn ich Zeit dazu habe.«
»Wem gehört das Haus?«
»Keine Ahnung, so einer Frau von der Insel hier. Irma ist die offizielle Mieterin, und ich bin ihr Untermieter. Sie ist in Ordnung.«
»Und wer wohnt sonst noch hier?«
»Arne Klaasen. Irmas Freund oder Lebensabschnittspartner. Oder Stecher. Wie Sie wollen.« Er sah Pia provozierend an.
»Das sind all Ihre Mitbewohner?«, fragte sie kühl.
»Nein. Milena hat auch hier gewohnt.« Er schluckte. »Sie ist die ... Frau im Garten ...« Patrick deutete mit dem Kopf vage in Richtung Fenster.
»Wie hieß Milena mit Nachnamen?«
»Milena ... keine Ahnung. Ingwers oder so.«
»Und wie war Ihr Verhältnis zu Milena Ingwers?«
»Ich konnte sie ganz gut leiden«, antwortete er undeutlich.
»War sie Ihre Freundin?«, fragte Gerlach.
Patrick Grieger brauste auf. »Typisch, immer allem und jedem gleich ein Etikett aufdrücken! Einordnen, abheften und rein in die Schublade, was?«
»Bei Frau Seibel und Herrn Klaasen hatten Sie kein Problem damit, die Dinge beim Namen zu nennen«, sagte Pia ruhig.
»Okay. Milena war so was wie meine Freundin. Aber ich hab sie nicht angerührt. Ich meine ... ich hab ihr das nicht angetan!« Er starrte Pia mit aggressiv vorgerecktem Kinn an.
Patrick Grieger hatte ein schmales Gesicht mit ausgeprägter Nase. Seine Haare und Augen waren dunkel, sein Blick stechend. Er war attraktiv, wenn auch auf eine Weise, die Frauen über dreißig dazu verleiten konnte, ihm erst mal eine anständige Mahlzeit vorzusetzen und ihm begütigend zu versichern, alles werde gut ... Irgendwann.
»Erzählen Sie uns bitte, was heute passiert ist. Von Anfang an.«
Er blies die Luft aus und starrte einen Moment aus dem Fenster. Pia beobachtete, dass seine schmale Hand, die auf der abgewetzten Tischplatte lag, zitterte. Sie sah weiß und gepflegt aus, die Fingernägel waren unversehrt und sauber. Sie fragte sich, wie ausgeprägt sein »Mitanpacken« bei den Renovierungsarbeiten wohl war.
Patrick Grieger schilderte in abgehackten Sätzen, wie er morgens gegen neun Uhr aufgewacht war. »Wegen dieser Affenhitze. Mein Zimmer liegt unter dem Dach.« Es war ganz ruhig gewesen. Irma Seibel und Arne Klaasen hatten das Haus schon verlassen. Irma betrieb einen Secondhandladen in Burg, in dem sie Kinderkleidung verkaufte, gab er Auskunft. Sie fuhr für gewöhnlich um acht Uhr los, weil sie ihre Tochter Zoe vor der Öffnung des Geschäfts noch im Kindergarten abgeben musste.
»Ihre Tochter?«, hakte Gerlach nach.
»Zoe ist fünf«, erklärte Patrick. »Wie gesagt, sie ist Irmas Tochter, aber Arne ist nicht der Vater. Arne war auch irgendwohin gefahren.« Er berichtete weiter, dass Arne Klaasen mal hier, mal dort auf irgendwelchen Baustellen arbeitete. Hauptsächlich war er jedoch mit Reparaturen an dem Haus beschäftigt, in dem sie wohnten. Milena hatte gerade Tee getrunken, als er, Patrick, in die Küche gekommen war. Er sei morgens nicht so gesprächig, sagte er. Sie hatten kaum miteinander geredet. Und er wusste nicht, welche Pläne Milena für den Tag gehabt hatte.
»War sie berufstätig?«, fragte Pia.
»Milena?« Er klang erstaunt.
»Wie alt war sie?«
»Achtzehn. Das ist doch kein Alter zum Sterben«, begehrte er auf, fiel aber sofort wieder in sich zusammen.
»Oder ging sie noch zur Schule? Hat sie studiert?«
»Milena hat eigentlich gar nichts gemacht«, bemerkte er verwundert, als würde ihm der Mangel an Beschäftigung gerade erst bewusst.
»Wie hat sie ihren Lebensunterhalt bestritten?«
Er zuckte mit den Schultern. »War ja nicht teuer – das Leben hier.«
Pia seufzte leise. Sie musterte Patrick Grieger von der Seite. Er wirkte ziemlich nervös, das konnten auch seine zusammengesunkene Haltung und die patzigen Antworten nicht überspielen.
»Um
Weitere Kostenlose Bücher