Ostseegrab
Eltern hatten davon gesprochen und sie hatte es als kleines Mädchen zufällig mit angehört. Es war entsetzlich und hatte mit Bens Schwester zu tun.
30
Hanjo sah sich erschöpft in der Bistroküche um. Sie glich einem Schlachtfeld. Auch wenn er heute Morgen keine Horde Schüler hatte, die er bewirten musste, waren doch einige Gäste zum Frühstück gekommen. Irgendwie hatte er es ohne Hilfe geschafft. Jetzt waren noch fünf Tische besetzt, an denen Surfer und Kiter ihren letzten Schluck Kaffee tranken. In der ganzen Hektik hatte Hanjo das dreckige Geschirr überall dort abgestellt, wo ein bisschen Platz war. Er wollte sich erst mal einen klitzekleinen Rum genehmigen, bevor er sich ans Aufräumen machte. Er goss sich gerade ein Gläschen ein, als in der Gaststube das Telefon klingelte.
»Surf- und Kiteschule Gold.«
»Hallo! Anja Schneider hier. Ich würde gerne mit Hanjo ...«
»Am Apparat«, ging er dazwischen. Lieber Gott, lass es die Aushilfe sein, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel.
»Oh, sehr gut«, fuhr Anja Schneider fort. »Ich habe ihre Nummer vom Hotel Ostseeblick. Man hatte mir dort ...«
»Wann können Sie anfangen?«, unterbrach er sie glücklich.
»Sie scheinen ja wirklich dringend Hilfe zu brauchen, Herr Peters. Sofort?«
»Wunderbar! Kommen Sie einfach vorbei.« Hanjo legte auf und gönnte sich zur Feier des Tages gleich noch ein Schnäpschen. Die Bistrotür öffnete sich und Clara kam rein. »Schnaps? Um diese Zeit?«
Kümmere dich doch um deinen eigenen Kram, dachte Hanjo mürrisch. Clara mochte eine sehr begabte Sportlerin sein und zudem ein hübsches Mädchen, aber sie war ihm unsympathisch. Und dabei kam sie von der Insel. Wo hatte sie nur diese Arroganz her? Sie war überheblich und ihr ständiger Begleiter war noch schlimmer.
»Morgen, Clara«, grüßte Hanjo trotzdem. »Ich wünsche dir auch einen guten Tag. Was kann ich für dich tun?«
Sie setzte sich mit einer schwungvollen Bewegung auf einen der Barhocker an der Theke. »Du darfst mir ein großes Rührei bringen und einen Milchkaffee.« Ohne ihn weiter zu beachten, schnappte sie sich die Zeitung und begann zu lesen. Hanjo rührte sich nicht vom Fleck. Irritiert sah Clara ihn an. »Gibt es irgendein Problem?«
»Die Küche ist leider geschlossen. Einen stinknormalen Kaffee kannst du haben.« Es freute ihn, dass Clara beleidigt nach Luft schnappte. »Es sind auch noch ein paar Brötchen da, wenn du so hungrig bist«, bot er ihr versöhnlich an. »Aber die Küche ist im Moment nicht zu gebrauchen. Ab morgen wird alles besser.«
»Was ist das heute nur für ein Scheißtag«, zischte Clara. Erstaunt bemerkte Hanjo, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. »Clara? Ist alles in Ordnung?« Sie schüttelte den Kopf. Er bemerkte einen Bluterguss an ihrer Schläfe. »Du hast dich verletzt!«
»Nein, das ist nichts. Blöder Stein!« Clara hatte zu ihrem zickigen Tonfall zurückgefunden.
»Wo ist denn dein ... ich hab seinen Namen vergessen«, fragte Hanjo.
»Ich auch! Und er ist weg!«
Daher weht der Wind, schlussfolgerte Hanjo. Karl, oder besser Kalle, hatte sie sitzen lassen. Das waren doch mal gute Nachrichten. Hanjo schenkte zwei Gläschen Rum ein und stellte ihr eins auf den Tresen. »Na komm, Mädchen, trink das. Medizin! Und ich mach dir jetzt ein Brot.« Clara lächelte ihn zaghaft an. Vielleicht war sie gar nicht so schrecklich kalt, überlegte Hanjo und ging in die Küche. Clara hatte eigentlich gar keine Freunde. Sie war immer nur die Konkurrentin von Sarah gewesen und mit den alten Weggefährten hatte sie es sich längst selbst verdorben. Ihr fehlte es an Menschlichkeit und Humor. Diese Sophie, die war in Ordnung. Obwohl sie fremd war und aus der Großstadt kam, hatte sie einen Instinkt für Menschen. Sie war so freundlich und begeisterungsfähig. Fee war auch so gewesen. Warum hatte er sie nicht beschützen können?
Stefan stand im Waschraum des Präsidiums vor dem Spiegel und versuchte, ein bisschen Ordnung in seine Frisur zu bringen. Sein Outfit war in Ordnung. Dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd, klassische Krawatte. Er war rasiert und duftete nach dem Eau de Toilette, das Tina ihm geschenkt hatte. Die Pressekonferenz war für 10 Uhr angesetzt. Ihm blieben nur noch fünf Minuten. Dann musste er rein in die Höhle des Löwenrudels. Die Kamerateams waren bereits dabei, ihre Stative aufzubauen und die Tontechniker verkabelten die Mikrofone, die sie auf sein Rednerpult gestellt hatten. Es war eine ganze Meute
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