Ostseegrab
Journalisten gekommen. Der Fall hatte durch die reißerischen Schlagzeilen ein ungeheures Interesse in der Bevölkerung geweckt. Außerdem war Sommer. Aus Verzweiflung über mangelnde Themen in der Urlaubszeit wurde gerne eine Geschichte für die Titelseite zurechtgebastelt, auch wenn sie zu einer anderen Jahreszeit als kleine unscheinbare Meldung geendet wäre. Stefan atmete noch einmal tief durch und öffnete die Tür. Es war wirklich die Hölle los. Sofort schleuderten die Journalisten ihm ihre Fragen entgegen. Stefan ging stur zum Pult und hob beschwichtigend die Hände. »Guten Morgen! Schön, dass Sie so zahlreich erschienen sind. Bevor Sie mir jetzt alle durcheinander Fragen an den Kopf werfen, schlage ich vor, ich setze Sie erst mal über den Stand der Ermittlungen in Kenntnis.« Die Pressevertreter beruhigten sich und Stefan gelang es, sie im üblichen Rahmen zu informieren. Die Journalisten schrieben hektisch mit und die Kameramänner sahen ihn durch ihre Objektive an. Nach 15 Minuten hatte Stefan viel geredet und wenig verraten. »Meine Damen und Herren, soweit die Infos von unserer Seite. Selbstverständlich können Sie mir jetzt noch Ihre Fragen stellen.« Diesen Teil jeder Pressekonferenz hasste Stefan besonders. Er kam sich immer vor wie in einem Kugelhagel.
»Polizeioberkommissar Sperber«, begann der Erste. Er kannte den Journalisten. Frantzen oder Frentzen. Ein zäher kleiner Mann, der einem Terrier ähnelte. Er war von einem örtlichen Fernsehsender und schien mit nervtötender Penetranz seine Karriere ankurbeln zu wollen. »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, wurden auf Fehmarn zwei Frauen brutal ermordet. Was tut die Polizei, um junge Frauen vor diesem Serientäter zu schützen?«
»Ich habe nie von einem Serientäter gesprochen«, wiegelte Stefan die Frage ab. »Im Moment überprüfen wir, ob es zwischen den Morden überhaupt einen Zusammenhang gibt. Wahrscheinlich handelt es sich, wie bereits gesagt, um ein Beziehungsdrama. Also kein Grund ...«
»Können Sie Touristinnen noch mit gutem Gewissen einen Aufenthalt auf Fehmarn empfehlen«, kreischte eine junge Frau, die er noch nie gesehen hatte. Wahrscheinlich eine Praktikantin.
»Die Frage gehört nicht in diese Pressekonferenz«, wies Stefan die Frau zurecht.
»Sie eiern herum, Polizeihauptkommissar!«
Stefan erkannte die Stimme von Andreas Becker vom Hamburger Abendblatt. Er war ein ruhiger Mann mit dem Blick fürs Wesentliche. »Herr Becker. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Mir scheint, Sie tappen vollkommen im Dunkeln. Sind Sie sich sicher, dass wir in den nächsten Tagen nicht wieder ein Mordopfer zu beklagen haben?«
Stefan verbot sich, einen Schluck Wasser zu trinken. Man hätte es zu Recht seiner Nervosität zugeschrieben. Nein, er konnte nicht ausschließen, dass es weitere Opfer geben könnte. Im Gegenteil. Er fürchtete, dass auf Fehmarn etwas vor sich ging, das noch lange nicht zu Ende war.
Sophie stoppte mit quietschenden Reifen auf dem Parkplatz des Universitätsklinikums. Das Gebäude des Rechtsmedizinischen Instituts lag auf dem Krankenhausgelände. Sie stieg aus dem Wagen und rief Lutz an. »Hey! Ich bin da.«
»Wo genau?«, fragte er genervt.
»Auf dem Besucherparkplatz. Ich komm jetzt rüber.«
»Auf keinen Fall! Dich muss hier wirklich niemand sehen. Da ist ein Café, gleich auf der anderen Straßenseite. Siehst du das?«
Sophie blickte sich um. »Café ... den Namen kann ich nicht aussprechen.«
»Genau das ist es. Geh dahin und warte. Ich bin in 20 Minuten da.«
Sophie steckte die Tüte mit der Zahnbürste in ihre Handtasche und überquerte die Straße. Das Café war gut besucht, doch sie fand einen kleinen freien Tisch am Fenster. Sophie bestellte sich einen Kaffee und ein Sandwich, obwohl sie keinen Hunger hatte. Sie war viel zu aufgewühlt. Sie hatte immer noch Bens Geruch in der Nase. Er roch nach Salz und Sonne. Das Gefühl, Felix betrogen zu haben, konnte sie nicht abschütteln, obwohl sie wusste, wie lächerlich das war. Felix hatte die meisten Nächte mit seiner Frau verbracht. Sie hatte nur ein paar geklaute Stunden gehabt. Sophie riss sich zusammen. Über ihre Gefühle konnte sie später noch nachdenken. Im Moment sollte sie sich auf die Opfer und Olli konzentrieren. Wenn er tatsächlich so dumm gewesen war, der Polizei nichts von seinem Verhältnis zu Sarah zu erzählen, dann war die Frage: warum? Hoffentlich würde Lutz ihr tatsächlich helfen.
»Du hättest mit dem Essen nicht auf mich warten
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