Outback
Nacht. Paddy Dunegal war der einzige Gast . Shane warf einen Blick auf dessen Teller: Rühreier mit Speck, Würstchen, Baked Beans. Er sollte auch etwas Kräftiges zu sich nehmen. Shane setzte zu ihm.
„Morgen, Detective. Auch ein Frühstück für richtige Kerle?“, rief Kate von der Theke herüber.
Shane nickte.
„Es geht doch nichts über ein anständiges Frühstück“, begann Paddy und stopfte sich Ei und Speck in den Mund. „Haben wir unseren Vorfahren zu verdanken. Ihre kamen doch auch aus dem guten alten England, oder? Wissen Sie, Shane, was ich immer zu den Ausländern sage, ich sag immer: Australien ist das beste Land der Welt!“ Er lachte und fuchtelte mit dem Messer herum. „Doch was wir den guten alten Engländern zu verdanken haben, ist dieses Frühstück. Wer weiß, was wir hier sonst ohne die fressen würden! Panierte Känguru-Ohren mit gebratener Schlangenhaut vielleicht!“ Paddy lachte dröhnend.
Kate brachte Shanes Frühstück. „Lassen Sie es sich schmecken.“
Eine Weile sprach niemand. Auch die Musikboxen war so früh am Morgen noch still. Auf einmal meinte Paddy, ohne Shane anzusehen:
„Ian Henderson ist Betty Williams’ Vater.“
Shane ließ den Toast sinken, in den er gerade beißen wollte. Paddy holte Luft:
„Mein Vater war mit Ian Henderson und Alfred Morgan gut befreundet. Alfred hat ihm erzählt, was Ian mit dem Mädchen gemacht hat, draußen am Fluss, und dass er, Alfred, dabei gewesen war aber nicht eingeschritten ist. Die drei haben beschlossen, dass es das Beste wäre, dafür zu sorgen, dass man dem Mädchen, wenn es schwanger wäre, gleich das Kind wegnehmen und es in ein Heim bringen solle. Ian wollte natürlich nicht, dass herauskommt, dass er der Vater war. Mein Vater hat sich um das alles gekümmert. Er kannte einen in der Krankenhausverwaltung, der hat die Geburt aus den Akten gestrichen.“
Shane starrte Paddy noch immer ungläubig an. „Das haben Sie die ganze Zeit gewusst?“
Paddy stieß einen leisen Seufzer aus.
„Als mein Vater im Sterben lag, hat er es mir erzählt. Er hat gesagt: Das Kind ist heute sechzehn, und weiß nicht, wer seine Eltern sind. Und die Mutter denkt, ihr Kind sei bei der Geburt gestorben. Da hab ich einen anonymen Brief an Betty Williams geschrieben, in dem stand, wer ihre Mutter, aber nicht, wer ihr Vater ist.“ Paddy steckte sich hastig ein Würstchen in den Mund. Schweißperlen traten auf seine Stirn.
Shane schüttelte fassungslos den Kopf.
„Sie wussten alles – von Anfang an? Und haben mich wie einen Idioten hier herumlaufen ... ?“
„Ich habe meine Kündigung eingereicht“, fiel ihm Paddy ins Wort. „Was glauben Sie, was für ein Idiot ich bin? Die McHugh-Brüder haben mich hintergangen, Jo hab ich für `nen Engel gehalten, und mit Peter hab ich öfter einen getrunken.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hab gedacht, das hier sei meine Familie.“
„Und was wollen Sie jetzt machen?“, fragte Shane.
„Geh vielleicht erst mal nach Melbourne, zu meinem Sohn. Aber vielleicht will der mich auch nicht.“ Er lachte dumpf. „Na ja, irgendwo wird’s ja noch ´n Plätzchen für den alten Paddy geben, das Land ist ja groß genug.“
„Sollten Sie mal nach Brisbane kommen, ich kenne ein Pub, da kriegen Sie das beste Steak in der ganzen Stadt. Melden Sie sich.“ Shane stand auf und drückte Paddy die Hand. Er trat vor die Tür.
Ein Grollen rollte über die rote Ebene. Die trockenen Grashalme krümmten sich unter den Peitschenhieben des Windes, schwarze Wolken rückten drohend näher. Aber ganz plötzlich hörte der Wind auf. Kein Lufthauch regte sich - und dann – dann regnete es.
In dicken Tropfen prasselte der Regen auf Coocooloora.
„Mein Gott!“ Kate trat neben ihn. „Das hört so schnell nicht wieder auf. Wenn Sie weg müssen, sollten Sie jetzt fahren. Sonst kommen Sie hier nicht mehr weg. Letztes Jahr waren wir vier Tage abgeschnitten.“ Sie sah ihn an: „Ich persönlich hätte allerdings nichts dagegen, wenn Sie noch ein bisschen bleiben würden.“ Sie lachte ihr anzügliches Lachen und klopfte ihm auf den Bauch. Dann drehte sie sich um und ging wieder hinein.
Shane blieb draußen unter dem Dach des Pub s stehen und sah zum Himmel. Dann rannte er durch den prasselnden Regen zu Websters Wagen. Als er den Motor startete, schaltete sich das Radio ein. Jeff im Outback-Radio verlas gerade die Wettervorhersage. Ein riesiges Regengebiet wälze sich über die Region. Es würde tagelang regnen. „Und jetzt
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