P., Thomas
Ich musste das akzeptieren, aber ich war in ihn
verliebt und wollte unbedingt mit ihm zusammen sein. Und dann wurde ich
schwanger.
Das war zunächst ein Schock. Doch ich freute mich schon
sehr bald darauf, Mutter zu werden, und schmiedete die schönsten Zukunftspläne.
Was sollte denn schon schiefgehen? Ich liebte diesen Mann, und nun trug ich
sein Kind unter meinem Herzen. Und: Ich war schließlich die Freundin eines
starken Mannes. Die Freundin eines Hells Angels und erwartete mit ihm zusammen
einen kleinen Engel - mir konnte einfach nichts passieren ...
Aber die Schwangerschaft verlief problematisch. Und
irgendwann stritten wir uns noch, weil er gerade während dieser schwierigen
Monate nie für mich da war. Ich hatte kein Geld, mein Job war weg, und aus der
Wohnung, die ich für uns besorgt hatte, musste ich auch raus, weil ich die
Miete nicht mehr zahlen konnte. Er selbst interessierte sich dafür allerdings
nicht. Mein Freund war mit wichtigeren, größeren Dingen beschäftigt, er war schließlich
bei Rot-Weiß!
Gleichwohl wollte er mich heiraten. Eines Tages, völlig
unvermittelt, sprach er von Hochzeit. Doch das kam für mich da schon nicht mehr
infrage, weil ich mich einfach nicht auf ihn verlassen konnte. Einen Mann, für
den der Club an erster Stelle stand und die Familie nicht zählte, wollte ich
nicht.
Meine Tochter kam neun Wochen zu früh auf die Welt. Ich
fuhr an einem Sonntagmittag ins Krankenhaus und ließ ihn sofort
benachrichtigen. Aber der Club ließ ihn nicht gehen. Es gab wohl eine wichtige
Veranstaltung - oder eine gesellige Runde -, ich weiß es bis heute nicht.
Etwa zehn Tage später nahm er sich endlich einmal ein paar
Minuten Zeit, um seine neugeborene Tochter das erste Mal zu sehen — und dann
fuhr er zur »Arbeit«.
Im Club wurde er natürlich wie ein Held gefeiert. Er hatte
schließlich seine Männlichkeit unter Beweis gestellt und einem kleinen Engel
das Leben geschenkt. Mir gratulierte keiner. Ich war nur eine Frau, und die
zählte nicht bei den Hells Angels.
Es kam, wie es kommen musste: Ich beendete unsere
»Beziehung«. Dass ich nicht seine Nummer eins war, konnte ich gerade noch
verkraften, aber dass ihm auch seine eigene Tochter gleichgültig war, brach mir
das Herz. Dieses kleine Ding hätte ihm wichtig sein müssen. Aber es gab eben
nur diesen Club.
Da wir nicht verheiratet waren, mussten wir zur
Vaterschaftsanerkennung zum Jugendamt. Seinen Auftritt werde ich wohl nie
vergessen: fettige Haare, dreckige Kleidung und das Patch auf dem Rücken. Als
er der netten Jugendamtsmitarbeiterin stolz mitteilte, dass er »Wirtschafter«
von Beruf sei, entglitten mir alle Gesichtszüge. Auf die Nachfrage der Beamtin
hin, was das denn genau sei, blaffte er nur: »Ich arbeite in einem Puff!«
Ich konnte nicht glauben, dass er so etwas gesagt hatte. Es
ging um die Vormundschaft meiner Tochter, und er laberte diesen Dreck daher,
nur um sich vor dieser Frau wichtigzumachen. In Wirklichkeit war er nur ein
kleiner Aushilfstürsteher in einer Bremer Diskothek. Aber dank seiner
dümmlichen Aufschneiderei wurde ich in der Folgezeit mehrfach vom Jugendamt
besucht, schließlich wollte man nach dieser Ansage völlig zu Recht prüfen, ob
es meiner Tochter auch wirklich gut ging. Ich sorgte dafür, dass es der Kleinen
an nichts fehlte.
Von dem Tag an, als ich mit ihm zusammen kam, war ich kein
eigenständiger Mensch mehr. Ich war nur noch die Frau oder später dann die Ex
von einem »Bruder«. Einen Namen hatte ich keinen mehr. Und trotz der Trennung
war es für mich danach fast unmöglich, einen Mann kennenzulernen, denn ich war
die Ex eines Hells Angels. Und wer sich an meiner Seite blicken ließ, wurde mit
bösen Blicken oder fiesen Kommentaren wieder davongejagt. Denn ich war ja die
Mutter eines Hells-Angels-Kindes.
Kaufen konnte ich mir von diesem Titel nichts. Der Vater
des Engels zahlte keinen Cent Unterhalt, obwohl er mittlerweile sogar in einer
Bar der Hells Angels in Hannover arbeitete und dort offenbar gutes Geld
verdiente. Aber er ging lieber saufen und koksen, anstatt für seine Tochter
aufzukommen.
Auch der Onkel und Großvater unseres Mädchens gehören zu
den Hells Angels des Charters Hannover, und auch diese beiden Ehrenmänner
fühlten sich nicht zuständig. Ich verlangte zu jener Zeit noch nicht einmal
Geld, ein paar Windeln, Strampler oder ein wenig Babynahrung hätten mir schon
genügt. Aber es kam nichts. Außer den paar Ankündigungen des stolzen Vaters,
auf einen
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